"Johann Wolfgang Goethe. Gotz von Berlichingen mit der eisernen Hand" - читать интересную книгу автора

Weislingen. Du bist nicht gescheit.

Franz. Das kann wohl sein. Das letztemal, da ich sie sahe, hatte ich
nicht mehr Sinne als ein Trunkener. Oder vielmehr, kann ich sagen, ich
fuhlte in dem Augenblick, wie's den Heiligen bei himmlischen Erscheinungen
sein mag. Alle Sinne starker, hoher, vollkommener, und doch den Gebrauch von
keinem.

Weislingen. Das ist seltsam.

Franz. Wie ich von dem Bischof Abschied nahm, sa? sie bei ihm. Sie
spielten Schach. Er war sehr gnadig, reichte mir seine Hand zu kussen, und
sagte mir vieles, davon ich nichts vernahm. Denn ich sah seine Nachbarin,
sie hatte ihr Auge aufs Brett geheftet, als wenn sie einem gro?en Streich
nachsanne. Ein feiner lauernder Zug um Mund und Wange! Ich hatt' der
elfenbeinerne Konig sein mogen. Adel und Freundlichkeit herrschten auf ihrer
Stirn. Und das blendende Licht des Angesichts und des Busens, wie es von den
finstern Haaren erhoben ward!

Weislingen. Du bist druber gar zum Dichter geworden.

Franz. So fuhl ich denn in dem Augenblick, was den Dichter macht, ein
volles, ganz von einer Empfindung volles Herz! Wie der Bischof endigte und
ich mich neigte, sah sie mich an und sagte: >Auch von mir einen Gru?
unbekannterweise! Sag ihm, er mag ja bald kommen. Es warten neue Freunde auf
ihn; er soll sie nicht verachten, wenn er schon an alten so reich ist.< -
Ich wollte was antworten, aber der Pa? vom Herzen nach der Zunge war
versperrt, ich neigte mich. Ich hatte mein Vermogen gegeben, die Spitze
ihres kleinen Fingers kussen zu durfen! Wie ich so stund, warf der Bischof
einen Bauern herunter, ich fuhr darnach und ruhrte im Aufheben den Saum
ihres Kleides, das fuhr mir durch alle Glieder, und ich wei? nicht, wie ich
zur Tur hinausgekommen bin.

Weislingen. Ist ihr Mann bei Hofe?

Franz. Sie ist schon vier Monat Witwe. Um sich zu zerstreuen, halt sie
sich in Bamberg auf. Ihr werdet sie sehen. Wenn sie einen ansieht, ist's,
als wenn man in der Fruhlingssonne stunde.

Weislingen. Es wurde eine schwachere Wirkung auf mich haben.

Franz. Ich hore, Ihr seid so gut als verheiratet.

Weislingen. Wollte, ich war's. Meine sanfte Marie wird das Gluck meines
Lebens machen. Ihre su?e Seele bildet sich in ihren blauen Augen. Und wei?
wie ein Engel des Himmels, gebildet aus Unschuld und Liebe, leitet sie mein
Herz zur Ruhe und Gluckseligkeit. Pack zusammen! und dann auf mein Schlo?!
Ich will Bamberg nicht sehen, und wenn Sankt Veit in Person meiner begehrte.
(Geht ab.)