"Johann Wolfgang Goethe. Gotz von Berlichingen mit der eisernen Hand" - читать интересную книгу автора

verla?t sie das Nest und ubergibt ihre schon keimende Nachkommenschaft dem
Tode und der Verwesung.

Adelheid. Scheltet die Weiber! Der unbesonnene Spieler zerbei?t und
zerstampft die Karten, die ihn unschuldigerweise verlieren machten. Aber
la?t mich Euch was von Mannsleuten erzahlen. Was seid denn ihr, um von
Wankelmut zu sprechen? Ihr, die ihr selten seid, was ihr sein wollt,
niemals, was ihr sein solltet. Konige im Festtagsornat, vom Pobel beneidet.
Was gab eine Schneidersfrau drum, eine Schnur Perlen um ihren Hals zu haben,
von dem Saum eures Kleids, den eure Absatze verachtlich zurucksto?en!

Weislingen. Ihr seid bitter.

Adelheid. Es ist die Antistrophe von Eurem Gesang. Eh ich Euch kannte,
Weislingen, ging mir's wie der Schneidersfrau. Der Ruf, hundertzungig, ohne
Metapher gesprochen, hatte Euch so zahnarztma?ig herausgestrichen, da? ich
mich uberreden lie? zu wunschen: mochtest du doch diese Quintessenz des
mannlichen Geschlechts, den Phonix Weislingen zu Gesicht kriegen! Ich ward
meines Wunsches gewahrt.

Weislingen. Und der Phonix prasentierte sich als ein ordinarer
Haushahn.

Adelheid. Nein, Weislingen, ich nahm Anteil an Euch.

Weislingen. Es schien so -

Adelheid. Und war. Denn wirklich, ihr ubertraft Euern Ruf. Die Menge
schatzt nur den Widerschein des Verdienstes. Wie mir's denn nun geht, da?
ich uber die Leute nicht denken mag, denen ich wohlwill; so lebten wir eine
Zeitlang nebeneinander, es fehlte mir was, und ich wu?te nicht, was ich an
Euch vermi?te. Endlich gingen mir die Augen auf. Ich sah statt des aktiven
Mannes, der die Geschafte eines Furstentums belebte, der sich und seinen
Ruhm dabei nicht verga?, der auf hundert gro?en Unternehmungen, wie auf
ubereinander gewalzten Bergen, zu den Wolken hinaufgestiegen war: den sah
ich auf einmal, jammernd wie einen kranken Poeten, melancholisch wie ein
gesundes Madchen und mu?iger als einen alten Junggesellen. Anfangs schrieb
ich's Euerm Unfall zu, der Euch noch neu auf dem Herzen lag, und
entschuldigte Euch, so gut ich konnte. Jetzt, da es von Tag zu Tage
schlimmer mit Euch zu werden scheint, mu?t Ihr mir verzeihen, wenn ich Euch
meine Gunst entrei?e. Ihr besitzt sie ohne Recht, ich schenkte sie einem
andern auf Lebenslang, der sie Euch nicht ubertragen konnte.

Weislingen. So la?t mich los.

Adelheid. Nicht, bis alle Hoffnung verloren ist. Die Einsamkeit ist in
diesen Umstanden gefahrlich. - Armer Mensch! Ihr seid so mi?mutig, wie
einer, dem sein erstes Madchen untreu wird, und eben darum geb ich Euch
nicht auf. Gebt mir die Hand, verzeiht mir, was ich aus Liebe gesagt habe.