"Johann Wolfgang Goethe. Egmont" - читать интересную книгу автора

Egmont nur wieder ansehen, wird mir alles sehr begreiflich, ja wцдre mir
weit mehr begreiflich. Ach, was ist's ein Mann! Alle Provinzen beten ihn an,
und ich in seinem Arm sollte nicht das glц╝cklichste Geschц╢pf von der Welt
sein?
Mutter. Wie wird's in der Zukunft werden?
Klare. Ach, ich frage nur, ob er mich liebt; und ob er mich liebt, ist
das eine Frage?
Mutter. Man hat nichts als Herzensangst mit seinen Kindern. Wie das
ausgehen wird! Immer Sorge und Kummer! Es geht nicht gut aus! Du hast dich
unglц╝cklich gemacht! mich unglц╝cklich gemacht.
Klare (gelassen). Ihr lieцЯet es doch im Anfange.
Mutter. Leider war ich zu gut, bin immer zu gut.
Klare. Wenn Egmont vorbeiritt und ich ans Fenster lief, schaltet Ihr
mich da? Tratet Ihr nicht selbst ans Fenster? Wenn er heraufsah, lцдchelte,
nickte, mich grц╝цЯte: war es Euch zuwider? Fandet Ihr Euch nicht selbst in
Eurer Tochter geehrt?
Mutter. Mache mir noch Vorwц╝rfe.
Klare (gerц╝hrt). Wenn er nun ц╢fter die StraцЯe kam, und wir wohl
fц╝hlten, daцЯ er um meinetwillen den Weg machte, bemerktet Ihr's nicht
selbst mit heimlicher Freude? Rieft Ihr mich ab, wenn ich hinter den
Scheiben stand und ihn erwartete?
Mutter. Dachte ich, daцЯ es so weit kommen sollte?
Klare (mit stockender Stimme und zurц╝ckgehaltenen Trцдnen). Und wie er
uns abends, in den Mantel eingehц╝llt, bei der Lampe ц╝berraschte, wer war
geschцдftig, ihn zu empfangen, da ich auf meinem Stuhl wie angekettet und
staunend sitzen blieb?
Mutter. Und konnte ich fц╝rchten, daцЯ diese unglц╝ckliche Liebe das
kluge Klцдrchen so bald hinreiцЯen wц╝rde? Ich muцЯ es nun tragen, daцЯ
meine Tochter -
Klare (mit ausbrechenden Trцдnen). Mutter! Ihr wollt's nun! Ihr habt
Eure Freude, mich zu цдngstigen.
Mutter (weinend). Weine noch gar! Mache mich noch elender durch deine
Betrц╝bnis. Ist mir's nicht Kummer genug, daцЯ meine einzige Tochter ein
verworfenes Geschц╢pf ist?
Klare (aufstehend und kalt). Verworfen! Egmonts Geliebte verworfen? -
Welche Fц╝rstin neidete nicht das arme Klцдrchen um den Platz an seinem
Herzen! O Mutter - meine Mutter, so redetet Ihr sonst nicht. Liebe Mutter,
seid gut! Das Volk, was das denkt, die Nachbarinnen, was die murmeln - Diese
Stube, dieses kleine Haus ist ein Himmel, seit Egmonts Liebe drin wohnt.
Mutter. Man muцЯ ihm hold sein! das ist wahr. Er ist immer so
freundlich, frei und offen.
Klare. Es ist keine falsche Ader an ihm. Seht, Mutter, und er ist doch
der groцЯe Egmont. Und wenn er zu mir kommt, wie er so lieb ist, so gut! wie
er mir seinen Stand, seine Tapferkeit gerne verbцдrge! wie er um mich
besorgt ist! so nur Mensch, nur Freund, nur Liebster.
Mutter. Kommt er wohl heute?
Klare. Habt Ihr mich nicht oft ans Fenster gehen sehn? Habt Ihr nicht
bemerkt, wie ich horche, wenn's an der Tц╝r rauscht? - Ob ich schon weiцЯ,
daцЯ er vor Nacht nicht kommt, vermut ich ihn doch jeden Augenblick, von
morgens an, wenn ich aufstehe. Wцдr' ich nur ein Bube und kц╢nnte immer mit