"Thomas Mann. Der kleine Herr Friedemann (нем.)" - читать интересную книгу автора

eine voll erblXhte Marschall-Niel-Rose war in ihrem leuchtenden Haar
befestigt. Ihre Wangen waren heute Abend ein wenig gerXtet, aber wie immer
lagerten blXuliche Schatten in den Winkeln ihrer Augen.
Herr Friedemann blickte auf seinen Teller nieder und brachte irgend
etwas als Antwort hervor, worauf er der Gymnasialdirektorin die Frage
beantworten musste, ob er Beethoven liebe. In diesem Augenblick aber warf
der Oberstleutnant, der ganz oben am Tische saX, seiner Gattin einen Blick
zu, schlug ans Glas und sagte:
"Meine Herrschaften, ich schlage vor, dass wir unseren Kaffee in den
anderen Zimmern trinken; Xbrigens muss es heute Abend auch im Garten nicht
Xbel sein, und wenn jemand don ein wenig Luft schXpfen will, so halte ich es
mit ihm." In die eingetretene Stille hinein machte Leutnant von Deidesheim
aus TaktgefXhl einen Witz, so dass alles sich unter frXhlichem GelXchter
erhob. Herr Friedemann verlieX als einer der letzten mit seiner Dame den
Saal, geleitete sie durch das altdeutsche Zimmer, wo man bereits zu rauchen
begann, in das halbdunkle und behagliche Wohngemach und verabschiedete sich
von ihr.
Er war mit Sorgfalt gekleidet; sein Frack war ohne Tadel, sein Hemd
blendend weiX, und seine schmalen rind schXn geformten FXe steckten in
Lackschuhen. Dann und wann konnte man sehen, dass er rotseidene StrXmpfe
trug. Er blickte auf den Korridor hinaus und sah, dass grXere Gruppen sich
bereits die Treppe hinunter in den Garten begaben. Aber er setzte sich mit
seiner Zigarre und seinem Kaffee an die TXr des altdeutschen Zimmers, in dem
einige Herren plaudernd beisammenstanden, und blickte in das Wohngemach
hinein.
Gleich rechts von der TXr saX um einen kleinen Tisch ein Kreis, dessen
Mittelpunkt von dem Studenten gebildet ward, der mit Eifer sprach. Er hatte
die Behauptung aufgestellt, dass man durch einen Punkt mehr als eine
Parallele zu einer Geraden ziehen kXnne, Frau Rechtsanwalt HagenstrXm hatte
gerufen: "Dies ist unmXglich!", und nun bewies er es so schlagend, dass alle
taten, als hXtten sie es verstanden. Im Hintergrunde des Zimmers aber, auf
der Ottomane, neben der die niedrige, rotverhXllte Lampe stand; saX im
GesprXch mit dem jungen FrXulein Stephens Gerda von Rinnlingen. Sic saX ein
wenig in das gelbseidene Kissen zurXckgelehnt, einen FuX Xber den anderen
gestellt, und rauchte langsam eine Zigarette, wobei sie den Rauch durch die
Nase ausatmete und die Unterlippe vorschob. FrXulein Stephens saX aufrecht
und wie aus Holz geschnitzt vor ihr und antwortete Xngstlich lXchelnd.
Niemand beachtete den kleinen Herrn Friedemann, und niemand bemerkte,
dass seine groXen Augen ohne Unterlass auf Frau von Rinnlingen gerichtet
waren. In einer schlaffen Haltung saX er und sah sie an. Es war nichts
Leidenschaftliches in seinem Blick und kaum ein Schmerz; etwas Stumpfes und
Totes lag darin, eine dumpfe, kraft- und willenlose Hingabe.
Zehn Minuten etwa vergingen so; da erhob Frau von Rinnlingen sich
plXtzlich, und ohne ihn anzublicken, als ob sie ihn wXhrend der ganzen Zeit
heimlich beobachtet hXtte, schritt sie auf ihn zu und blieb vor ihm stehen.
Er stand auf, sah zu ihr in die HXhe und vernahm die Worte:
"Haben Sie Lust; mich in den Garten zu begleiten, Herr Friedemann?"
Er antwortete:
"Mit VergnXgen, gnXdige Frau."
"Sie haben unseren Garten noch nicht gesehen?" sagte sie auf der Treppe