"Thomas Mann. Der kleine Herr Friedemann (нем.)" - читать интересную книгу автораQual, lehnte er sich gegen einen Laternenpfahl und flXsterte bebend:
"Gerda!" - Alles blieb still. Weit und breit war in diesem Augenblick kein Mensch zu sehen. Der kleine Herr Friedemann raffte sich auf und schritt weiter. Er war die StraXe hinaufgegangen, in der das Theater lag und die ziemlich steil zum Flusse hinunterlief, und verfolgte nun die HauptstraXe nach Norden, seiner Wohnung zu ... Wie sie ihn angesehen hatte! Wie? Sie hatte ihn gezwungen, die Augen niederzuschlagen? Sie hatte ihn mit ihrem Blick gedemXtigt? War sie nicht eine Frau und er ein Mann? Und hatten ihre seltsamen braunen Augen nicht fXrmlich dabei vor Freude gezittert? Er fXhlte wieder diesen ohnmXchtigen, wollXstigen Hass in sich aufsteigen, aber dann dachte er an jenen Augenblick, wo ihr Kopf den seinen berXhrt, wo er den Duft ihres KXrpers eingeatmet hatte, und er blieb zum zweiten Male stehen, beugte den verwachsenen OberkXrper zurXck, zog die Luft durch die ZXhne ein und murmelte dann abermals vXllig ratlos, verrzweifelt, auXer sich: "Mein Gott! Mein Gott!" Und wieder schritt er mechanisch weiter, langsam, durch die schwXle Abendluft, durch die menschenleeren, hallenden StraXen, bis er vor seiner Wohnung stand. Auf der Diele verweilte er einen Augenblick und sog den kXhlen, kellerigen Geruch ein, der dort herrschte; dann trat er in sein "Bureau". Er setzte sich an den Schreibtisch am offenen Fenster und starrte geradeaus auf eine groXe, gelbe Rose, die jemand ihm dort ins Wasserglas aber dann schob er sie mit einer mXden und traurigen GebXrde beiseite. Nein, nein, das war zu Ende! Was war ihm noch solcher Duft? Was war ihm noch alles, was bis jetzt sein "GlXck" ausgemacht hatte? ... Er wandte sich zur Seite und blickte auf die stille StraXe hinaus. Dann und wann klangen Schritte auf und hallten vorXber. Die Sterne standen und glitzerten. Wie todmXde und schwach er wurde! Sein Kopf war so leer: und seine Verzweiflung begann in eine groXe, sanfte Wehmut sich aufzulXsen. Ein paar Gedichtzeilen flatterten ihm durch den Sinn, die Lohengrinmusik klang ihm wieder in den Ohren, er sah noch einmal Frau von Rinnlingens Gestalt vor sich, ihren weiXen Arm auf dem roten Sammet, und dann verfiel er in einen schweren, fieberdumpfen Schlaf. Oft war er dicht am Erwachen, aber er fXrchtete sich davor und versank jedesmal aufs neue in Bewusstlosigkeit. Als es aber vXllig hell geworden war, schlug er die Augen auf und sah mit einem groXen, schmerzlichen Blick um sich. Alles stand ihm klar vor der Seele; es war, als sei sein Leiden durch den Schlaf gar nicht unterbrochen worden. Sein Kopf war dumpf, und die Augen brannten ihm; als er sich aber gewaschen und die Stirn mit Eau de Cologne benetzt hatte, fXhlte er sich wohler und setzte sich still wieder, an seinen Platz am Fenster, das offengeblieben war. Es war noch ganz frXh am Tage, etwa um fXnf Uhr. Dann und wann ging ein BXckerjunge vorXber, sonst war niemand zu sehen. GegenXber waren noch alle Rouleaus geschlossen. Aber die VXgel zwitscherten, und der Himmel war leuchtend blau. Es war ein wunderschXner Sonntagmorgen. |
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