"Stefan Zweig. Buchmendel (Букинист. На немецком языке)" - читать интересную книгу автора

sie mir alles belichten. Gerьhrt nickte sie mir zu, dankbar, daЯ ich sie
verstand, und King voraus, die alte, schon ein wenig schwankende Frau, und
ich hinter ihr. Die beiden Kellner staunten uns nach, sie spьrten da einen
Zusammenhang, und auch einige Gдste verwunderten sich ьber uns ungleiches
Paar. Und drьben an seinem Tisch erzдhlte sie mir (manche Einzelheit
ergдnzte mir spдter anderer Bericht) von Jakob Mendels, von Buchmendels
Untergang.
Ja also, er sei, so erzдhlte sie, auch nachher noch, als der Krieg
schon begonnen, immer noch gekommen, Tag um Tag um halb acht Uhr frьh, und
genau so sei er gesessen und habe er den ganzen Tag studiert wie immer, ja,
sie hдtten alle das Gefьhl gehabt und oft darьber geredet, ihm sei's gar
nicht zum BewuЯtsein gekommen, daЯ Krieg sei. Ich wisse doch, in eine
Zeitung habe er nie geschaut und nie mit wem andern gesprochen; aber auch
wenn die Ausrufer ihren Mordslдrm mit den Extrablдttern machten und alle
andern zusammenliefen, nie sei er da aufgestanden oder hдtte zugehцrt. Er
habe auch gar nicht gemerkt, daЯ der Franz fehle, der Kellner (der bei
Gorlice gefallen sei), und nicht gewuЯt, daЯ sie den Sohn vom Herrn
Standhartner bei Przemysl gefangen hatten, und nie kein Wort habe er gesagt,
wie das Brot immer miserabler geworden ist und man ihm statt der Milch das
elende Feigenkaffeegschlader hat geben mьssen. Nur einmal habe er sich
gewundert, daЯ jetzt so wenig Studenten kдmen, das war alles. - "Mein Gott,
der arme Mensch, den hat doch nichts gefreut und gekьmmert als seine
Bьcher."
Aber dann eines Tags, da sei das Unglьck geschehen. Um elf Uhr
vormittags, am hellichten Tag, sei ein Wachmann gekommen mit einem
Geheimpolizisten, der hдtte die Rosette gezeigt im Knopfloch und gefragt, ob
hier ein Jakob Mendel verkehre. Dann wдren sie gleich an den Tisch gegangen
zum Mendel, und der hдtte ahnungslos noch geglaubt, sie wollten Bьcher
verkaufen oder ihn was fragen. Aber gleich hдtten sie ihn aufgefordert,
mitzukommen, und ihn weggefьhrt. Eine rechte Schande sei es fьr das
Kaffeehaus gewesen, alle Leute hдtten sich herumgestellt um den armen Herrn
Mendel, wie er dagestanden ist zwischen den beiden, die Brille unterm Haar,
und hin und her geschaut hat von einem zum andern und nicht recht gewuЯt,
was sie eigentlich von ihm wollten. Sie aber habe stante pede dem Gendarmen
gesagt, das mьsse ein Irrtum sein, ein Mann wie Herr Mendel kцnne keiner
Fliege was tun; aber da habe der Geheimpolizist sie gleich angeschrien, sie
solle sich nicht in Amtshandlungen einmischen. Und dann hдtten sie ihn
weggefьhrt, und er sei lange nicht mehr gekommen, zwei Jahre lang. Noch
heute wisse sie nicht recht, was die damals von ihm gewollt hдtten. "Aber
ich leist ein Jurament", sagte sie erregt, die alte Frau, "der Herr Mendel
kann nichts Unrechtes getan haben. Die haben sich geirrt, da leg ich meine
Hand ins Feuer. Es war ein Verbrechen an dem armen, unschuldigen Menschen,
ein Verbrechen!"
Und sie hatte recht, die gute, rьhrende Frau Sporschil. Unser Freund
Jakob Mendel hatte wahrhaftig nichts Unrechtes begangen, sondern nur (erst
spдter erfuhr ich alle Einzelheiten) eine rasende, eine rьhrende, eine
selbst in jenen irrwitzigen Zeiten ganz unwahrscheinliche Dummheit,
erklдrbar bloЯ aus der vollkommenen Versunkenheit, aus der Mondfernheit
seiner einmaligen Erscheinung. Folgendes hatte sich ereignet: auf dem
militдrischen Zensuramt, das verpflichtet war, jede Korrespondenz mit dem