"Stefan Zweig. Buchmendel (Букинист. На немецком языке)" - читать интересную книгу автора

Ausland zu ьberwachen, war eines Tages eine Postkarte abgefangen worden,
geschrieben und unterschrieben von einem gewissen Jakob Mendel,
ordnungsgemдЯ nach dem Ausland frankiert, aber - unglaublicher Fall - in das
feindliche Ausland gerichtet, eine Postkarte an Jean Labourdaire,
Buchhдndler, Paris, Quai de Grenelle, adressiert, in der ein gewisser Jakob
Mendel sich beschwerte, die letzten acht Nummern des monatlichen "Bulletin
bibliographique de la France" trotz vorausbezahltem Jahresabonnement nicht
erhalten zu haben. Der eingestellte untere Zensurbeamte, ein
Gymnasialprofessor, in Privatneigung Romanist, dem man einen blauen
Landsturmrock umgestьlpt hatte, staunte, als ihm dieses Schriftstьck in die
Hдnde kam. Ein dummer SpaЯ, dachte er. Unter den zweitausend Briefen, die er
allwцchentlich auf dubiose Mitteilungen und spionageverdдchtige Wendungen
durchstцberte und durchleuchtete, war ihm ein so absurdes Faktum noch nie
unter die Finger gekommen, daЯ jemand aus Цsterreich einen Brief nach
Frankreich ganz sorglos adressierte, also ganz gemьtlich eine Karte in das
kriegfьhrende Ausland so einfach in den Postkasten warf, als ob diese
Grenzen seit 1914 nicht umnдht wдren mit Stacheldraht und an jedem von Gott
geschaffenen Tage Frankreich, Deutschland, Цsterreich und RuЯland ihre
mдnnliche Einwohnerzahl gegenseitig um ein paar tausend Menschen kьrzten.
Zunдchst legte er deshalb die Postkarte als Kuriosum in seine
Schreibtischlade, ohne von dieser Absurditдt weitere Meldung zu erstatten.
Aber nach einigen Wochen kam abermals eine Karte desselben Jakob Mendel an
einen Bookseller John Aldridge, London, Holborn Square, ob er ihm nicht die
letzten Nummern des "Antiquarian" besorgen kцnnte, und abermals war sie
unterfertigt von ebendemselben merkwьrdigen Individuum, Jakob Mendel, das
mit rьhrender Naivitдt seine volle Adresse beischrieb. Nun wurde es dem in
die Uniform eingenдhten Gymnasialprofessor doch ein wenig eng unter dem
Rock. Steckte am Ende irgendein rдtselhafter chiffrierter Sinn hinter diesem
vertцlpelten SpaЯ? Jedenfalls, er stand auf, klappte die Hacken zusammen und
legte dem Major die beiden Karten auf den Tisch. Der zog beide Schultern
hoch: sonderbarer Fall! Zunдchst avisierte er die Polizei, sie solle
ausforschen, ob es diesen Jakob Mendel tatsдchlich gдbe, und eine Stunde
spдter war Jakob Mendel bereits dingfest gemacht und wurde, noch ganz
taumelig von der Ьberraschung, vor den Major gefьhrt. Der legte ihm die
mysteriцsen Postkarten vor, ob er sich als Absender erkenne. Erregt durch
den strengen Ton und vor allem, weil man ihn bei der Lektьre eines wichtigen
Katalogs aufgestцbert hatte, polterte Mendel beinahe grob, natьrlich habe er
diese Karten geschrieben. Man habe wohl noch das Recht, ein Abonnement fьr
sein gezahltes Geld zu reklamieren. Der Major drehte sich im Sessel schief
hinьber zu dem Leutnant am Nebentisch. Die beiden blinzelten sich
einverstдndlich an: ein gebrannter Narr! Dann ьberlegte der Major, ob er den
Einfaltspinsel nur scharf anbrummen und wegjagen sollte oder den Fall ernst
aufziehen. In solchen unschlьssigen Verlegenheiten entschlieЯt man sich bei
jedem Amt fast immer, zunдchst ein Protokoll aufzunehmen. Ein Protokoll ist
immer gut. Nьtzt es nichts, so schadet es nichts, und nur ein sinnloser
Papierbogen mehr unter Millionen ist vollgeschrieben.
In diesem Falle aber schadete es leider einem armen, ahnungslosen
Menschen, denn schon bei der dritten Frage kam etwas sehr Verhдngnisvolles
zutage. Man forderte zuerst seinen Namen: Jakob, recte Jainkeff Mendel.
Beruf: Hausierer (er besaЯ nдmlich keine Buchhдndlerlizenz, nur einen