"Stefan Zweig. Buchmendel (Букинист. На немецком языке)" - читать интересную книгу автораHausierschein). Die dritte Frage wurde zur Katastrophe: der Geburtsort.
Jakob Mendel nannte einen kleinen Ort bei Petrikau. Der Major zog die Brauen hoch. Petrikau, lag das nicht in Russisch-Polen, nahe der Grenze? Verdдchtig! Sehr verdдchtig! So inquirierte er nun strenger, wann er die цsterreichische Staatsbьrgerschaft erworben habe. Mendels Brille starrte ihn dunkel und verwundert an: er verstand nicht recht. Zum Teufel, ob und wo er seine Papiere habe, seine Dokumente? Er habe keine andern als den Hausierschein. Der Major schob die Stirnfalten immer hцher. Also wie es mit seiner Staatsbьrgerschaft stehe, solle er endlich einmal erklдren. Was sein Vater gewesen sei, ob Цsterreicher oder Russe? Seelenruhig erwiderte Jakob Mendel: natьrlich Russe. Und er selbst? Ach, er hдtte sich schon vor dreiunddreiЯig Jahren ьber die russische Grenze geschmuggelt, seither lebe er in Wien. Der Major wurde immer unruhiger. Wann er hier das цsterreichische Staatsbьrgerrecht erworben habe? Wozu? fragte Mendel. Er habe sich um solche Sachen nie gekьmmert. So sei er also noch russischer Staatsbьrger? Und Mendel, den diese цde Fragerei innerlich lдngst langweilte, antwortete gleichgьltig: "Eigentlich ja." Der Major warf sich so brьsk erschrocken zurьck, daЯ der Sessel knackte. Das gab es also! In Wien, in der Hauptstadt Цsterreichs, ging mitten im Kriege, Ende 1915, nach Tarnow und der groЯen Offensive, ein Russe unbehelligt spazieren, schrieb Briefe nach Frankreich und England, und die Polizei kьmmerte sich um nichts. Und da wundern sich die Dummkцpfe in den Zeitungen, daЯ Conrad von Hцtzendorf nicht gleich nach Warschau vorwдrtsgekommen ist, da staunen sie im Generalstab, wenn jede Truppenbewegung durch Spione nach RuЯland weitergemeldet wird. Auch der schaltete sich scharf um zum Verhцr. Warum er sich nicht sofort gemeldet habe als Auslдnder? Mendel, noch immer arglos, antwortete in seinem singenden jьdischen Jargon: "Wozu hдtt ich mich melden sollen auf einmal?" In dieser umgedrehten Frage erblickte der Major eine Herausforderung und fragte drohend, ob er nicht die Ankьndigungen gelesen habe? Nein! Ob er etwa auch keine Zeitungen lese? Nein! Die beiden starrten den vor Unsicherheit schon leicht schwitzenden Jakob Mendel an, als sei der Mond mitten in ihr Bьrozimmer gefallen. Dann rasselte das Telefon, knackten die Schreibmaschinen, liefen die Ordonnanzen, und Jakob Mendel wurde dem Garnisonsgefдngnis ьberantwortet, um mit dem nдchsten Schub in ein Konzentrationslager abgefьhrt zu werden. Als man ihm bedeutete, den beiden Soldaten zu folgen, starrte er ungewiЯ. Er verstand nicht, was man von ihm wollte, aber eigentlich hatte er keinerlei Sorge. Was konnte der Mann mit dem goldenen Kragen und der groben Stimme schlieЯlich Bцses mit ihm vorhaben? In seiner obern Welt der Bьcher gab es keinen Krieg, kein Nichtverstehen, sondern nur das ewige Wissen und Nochmehrwissenwollen von Zahlen und Worten, von Titeln und Namen. So trollte er gutmьtig zwischen den beiden Soldaten die Treppe hinunter. Erst als man ihm auf der Polizei alle Bьcher aus den Manteltaschen nahm und die Brieftasche abforderte, in der er hundert wichtige Zettel und Kundenadressen stecken hatte, da erst begann er wьtend um sich zu schlagen. Man muЯte ihn bдndigen. Aber dabei klirrte leider seine Brille zu Boden, und dies sein magisches Teleskop in die geistige Welt brach in mehrere Stьcke. Zwei Tage spдter expedierte man ihn im dьnnen Sommerrock in ein Konzentrationslager russischer |
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