"Harry Potter und der Halbblutprinz" - читать интересную книгу автора (Rowling Joanne K.)Schleim im Überfluss Harry und Dumbledore näherten sich der Hintertür des Fuchsbaus, wo ringsumher das vertraute Durcheinander alter Gummistiefel und rostiger Kessel herrschte. Harry konnte das leise Gackern schläfriger Hühner aus einem entfernten Schuppen hören. Dumbledore klopfte dreimal und Harry sah, wie sich hinter dem Küchenfenster plötzlich etwas bewegte. »Wer ist da?«, fragte eine ängstliche Stimme, die offenbar von Mrs Weasley stammte. »Geben Sie sich zu erkennen!« »Ich bin's, Dumbledore, ich bringe Harry vorbei.« Die Tür ging sofort auf. Da stand Mrs Weasley, klein, dick und in einen alten grünen Morgenmantel gehüllt. »Harry, mein Lieber! Du meine Güte, Albus, hast du mich erschreckt, du sagtest, wir sollten dich nicht vor dem Morgen erwarten!« »Wir hatten Glück«, sagte Dumbledore und schob Harry über die Schwelle. »Slughorn war um einiges nachgiebiger, als ich erwartet hatte. Das ist natürlich Harry zu verdanken. Ah, hallo, Nymphadora!« Harry blickte sich um und sah, dass Mrs Weasley trotz der späten Stunde nicht allein war. Eine junge Hexe mit bleichem, herzförmigem Gesicht und mausbraunem Haar saß am Tisch und hielt einen großen Becher mit beiden Händen umklammert. »Hallo, Professor«, sagte sie. »Tag auch, Harry.« »Hi, Tonks.« Harry fand, dass sie abgespannt wirkte, sogar krank, und ihr Lächeln sah irgendwie gezwungen aus. Auf alle Fälle war ihre ganze Erscheinung ohne die übliche bonbonrosa Tönung ihres Haares weniger farbenfroh als sonst. »Ich verschwinde jetzt besser«, sagte sie rasch, stand auf und zog sich den Umhang über die Schultern. »Danke für den Tee und dein Mitgefühl, Molly.« »Bitte geh doch nicht meinetwegen«, sagte Dumbledore höflich. »Ich kann nicht bleiben, ich habe dringende Angelegenheiten mit Rufus Scrimgeour zu besprechen.« »Nein, nein, ich muss los«, erwiderte Tonks, ohne Dumbledore in die Augen zu blicken. »Nacht – « »Meine Liebe, wie wär's, wenn du am Wochenende zum Abendessen kämst, Remus und Mad-Eye kommen auch –?« »Nein, wirklich, Molly … aber vielen Dank … Gute Nacht, alle miteinander.« Tonks eilte an Dumbledore und Harry vorbei hinaus in den Hof; ein paar Schritte von der Tür entfernt wirbelte sie herum und löste sich in Luft auf. Harry bemerkte, dass Mrs Weasley besorgt aussah. »Nun, wir sehen uns dann in Hogwarts, Harry«, sagte Dumbledore. »Pass auf dich auf. Molly, stets zu Diensten.« Er verneigte sich vor Mrs Weasley und folgte Tonks, indem er genau an derselben Stelle wie sie verschwand. Mrs Weasley schloss die Tür zum leeren Hof und führte Harry an den Schultern in das helle Licht der Lampe auf dem Tisch, um ihn sich genau anzuschauen. »Du bist wie Ron«, seufzte sie, während sie ihn von Kopf bis Fuß musterte. »Ihr seht beide aus, als ob man euch mit Streckflüchen traktiert hätte. Ich schwöre, seit ich Ron das letzte Mal Schulumhänge gekauft habe, ist er um zehn Zentimeter gewachsen. Hast du Hunger, Harry?« »Ja, ziemlich«, sagte Harry, dem plötzlich klar wurde, wie hungrig er tatsächlich war. »Setz dich, mein Lieber, ich mach dir eine Kleinigkeit.« Als Harry sich setzte, sprang ihm ein haariger orangeroter Kater mit zerknautschtem Gesicht auf die Knie und ließ sich schnurrend nieder. »Dann ist Hermine also da?«, fragte er glücklich und kraulte Krummbein hinterm Ohr. »O ja, sie ist vorgestern angekommen«, sagte Mrs Weasley und schlug mit dem Zauberstab gegen einen großen eisernen Topf: Mit lautem Scheppern hüpfte er auf den Herd und begann augenblicklich zu blubbern. »Natürlich sind alle im Bett, wir haben dich erst in ein paar Stunden erwartet. Hier, bitte sehr.« Sie schlug wieder gegen den Topf; der stieg in die Luft, flog auf Harry zu und neigte sich; Mrs Weasley schob geschickt eine Schale darunter, gerade noch rechtzeitig, um den Strom dicker, dampfender Zwiebelsuppe aufzufangen. »Brot, mein Schatz?« »Gern, Mrs Weasley.« Sie schwenkte den Zauberstab über ihre Schulter; ein Laib Brot und ein Messer schwebten elegant auf den Tisch. Während der Laib sich selbst in Scheiben schnitt und der Suppentopf auf den Herd zurücksank, nahm Mrs Weasley Harry gegenüber Platz. »Ihr habt also Horace Slughorn überredet, die Stelle anzunehmen?« Harry nickte, sein Mund war so voll mit heißer Suppe, dass er nicht sprechen konnte. »Er war Arthurs und mein Lehrer«, sagte Mrs Weasley. »Er war ewig lange in Hogwarts, hat ungefähr zur selben Zeit angefangen wie Dumbledore, glaube ich. Mochtest du ihn?« Harry, der den Mund jetzt voller Brot hatte, zuckte die Achseln und ruckte unverbindlich mit dem Kopf. »Ich weiß, was du meinst«, sagte Mrs Weasley, weise nickend. »Natürlich kann er reizend sein, wenn er will, aber Arthur hat ihn nie sonderlich gemocht. Im Ministerium laufen überall Slughorns alte Lieblinge rum, er war immer gut, wenn es darum ging, jemand unter die Arme zu greifen, aber für Arthur hatte er nie viel Zeit – hielt ihn offenbar nicht für den großen Überflieger. Nun, da siehst du mal, sogar Slughorn macht Fehler. Ich weiß nicht, ob Ron es dir in einem seiner Briefe berichtet hat – es ist gerade erst passiert – jedenfalls, Arthur ist befördert worden!« Es war absolut offensichtlich, dass Mrs Weasley die ganze Zeit darauf gebrannt hatte, das zu sagen. Harry schluckte einen Mund voll heißer Suppe hinunter und spürte förmlich, wie seine Kehle Bläschen warf. »Großartig!«, keuchte er. »Nett von dir.« Mrs Weasley strahlte, sie deutete seine tränenden Augen möglicherweise als Zeichen dafür, wie gerührt er angesichts dieser Neuigkeit war. »Ja, Rufus Scrimgeour hat mehrere neue Büros eingerichtet, als Reaktion auf die gegenwärtige Lage, und Arthur leitet das Büro zur Ermittlung und Beschlagnahme Gefälschter Verteidigungszauber und Schutzgegenstände. Das ist eine große Aufgabe, er hat jetzt zehn Leute unter sich!« »Was genau –?« »Tja, weißt du, in der ganzen Panik wegen Du-weißt-schon-wem sind überall merkwürdige Sachen auf dem Markt aufgetaucht, Sachen, die angeblich vor Du-weißt-schon-wem und den Todessern schützen sollen. Du kannst dir ja vorstellen, um was es sich dabei handelt – so genannte Schutztränke, die eigentlich nur Bratensaft mit einem Schuss Bubotubler-Eiter sind, oder Anleitungen für Defensivzauber, bei denen einem in Wahrheit die Ohren abfallen … Die Verantwortlichen sind jedenfalls meistens nur Leute wie Mundungus Fletcher, die in ihrem ganzen Leben noch keinen Tag lang ehrliche Arbeit geleistet haben und jetzt die Angst der Leute ausnutzen, aber hin und wieder passiert etwas wirklich Fieses. Neulich hat Arthur eine Kiste verwunschener Spickoskope beschlagnahmt, die ganz bestimmt von einem Todesser in Umlauf gebracht wurden. Du siehst, es ist ein sehr wichtiger Job, und ich sage ihm immer, dass es einfach albern ist, den Zündkerzen und Toastern und all dem anderen Muggelkram nachzutrauern, mit dem er früher zu tun hatte.« Mrs Weasley beendete ihren Vortrag mit einem strengen Blick, als wäre es Harry gewesen, der behauptet hatte, dass man Zündkerzen natürlich nachtrauern müsse. »Ist Mr Weasley noch bei der Arbeit?«, fragte Harry. »Ja, allerdings. Tatsächlich ist er ein klein wenig spät dran … er wollte eigentlich gegen Mitternacht zurück sein.« Sie wandte sich um und blickte auf eine große Uhr, die wackelig auf einem Stapel Laken im Wäschekorb am Tischende stand. Harry erkannte sie sofort: Sie hatte neun Zeiger, auf denen jeweils der Name eines Familienmitglieds eingraviert war, und hing normalerweise bei den Weasleys an der Wohnzimmerwand, doch ihr gegenwärtiger Aufenthaltsort ließ darauf schließen, dass Mrs Weasley sich angewöhnt hatte, sie mit sich durchs Haus zu tragen. Ausnahmslos alle neun Zeiger wiesen jetzt auf »Das geht jetzt schon eine ganze Weile so«, sagte Mrs Weasley in einem beiläufigen Ton, der nicht überzeugend klang, »seit Du-weißt-schon-wer wieder aus der Versenkung aufgetaucht ist. Ich schätze, alle sind jetzt in tödlicher Gefahr … ich glaube nicht, dass es nur unsere Familie ist … aber ich kenne sonst niemanden, der so eine Uhr hat, also kann ich es nicht nachprüfen. Oh!« Mit einem jähen Aufschrei deutete sie auf das Zifferblatt. Mr Weasleys Zeiger war auf »Er kommt!« Und tatsächlich, einen Moment später klopfte es an der Hintertür. Mrs Weasley sprang auf und eilte dorthin; eine Hand am Türknauf und das Gesicht ans Holz gedrückt, rief sie leise: »Arthur, bist du das?« »Ja«, antwortete Mr Weasleys müde Stimme. »Aber das würde ich auch sagen, wenn ich ein Todesser wäre, Liebling. Stell mir die Frage!« »Oh, ehrlich gesagt …« »Molly!« »Schon gut, schon gut … Was ist dein sehnlichster Wunsch?« »Herauszufinden, wie Flugzeuge in der Luft bleiben.« Mrs Weasley nickte und drehte den Türknauf, aber offenbar hielt ihn Mr Weasley auf der anderen Seite fest, denn die Tür wollte nicht aufgehen. »Molly! Zuerst muss ich dir deine Frage stellen!« »Arthur, wirklich, das ist doch albern …« »Wie soll ich dich immer nennen, wenn wir beide allein sind?« Selbst beim schwachen Licht der Lampe konnte Harry sehen, dass Mrs Weasley knallrot geworden war; ihm selbst wurde plötzlich warm um die Ohren und im Genick, und er schlang hastig die Suppe hinunter und klapperte möglichst laut mit dem Löffel gegen die Schale. »Mollyröllchen«, flüsterte Mrs Weasley beschämt durch den Türspalt. »Korrekt«, sagte Mr Weasley. »Jetzt kannst du mich reinlassen.« Mrs Weasley öffnete die Tür, und ihr Mann erschien, ein dünner, zur Glatze neigender rothaariger Zauberer mit Hornbrille und einem langen und staubigen Reiseumhang. »Ich versteh immer noch nicht, warum wir das jedes Mal, wenn du heimkommst, durchziehen müssen«, sagte Mrs Weasley, nach wie vor rosa im Gesicht, während sie ihrem Mann aus dem Umhang half. »Ich meine, ein Todesser hätte die Antwort aus dir herauspressen können, bevor er in deinen Körper geschlüpft wäre!« »Das weiß ich, Liebling, aber es ist das Standardverfahren des Ministeriums und ich muss ein Beispiel geben. Hier riecht es gut – Zwiebelsuppe?« Mr Weasley drehte sich hoffnungsvoll zum Tisch um. »Harry! Wir haben dich erst am Morgen erwartet!« Sie schüttelten einander die Hand und Mr Weasley ließ sich auf einen Stuhl neben Harry fallen, während Mrs Weasley auch ihm eine Schale mit Suppe auftischte. »Danke, Molly. Das war eine anstrengende Nacht. Irgendein Idiot hat angefangen, Metamorph-Medaillen zu verkaufen. Häng sie dir einfach um den Hals und du kannst nach Belieben deine Erscheinung verändern. Hunderttausend Verkleidungen, und das alles für zehn Galleonen!« »Und was passiert wirklich, wenn man sie umhängt?« »Meistens nimmt man nur eine ziemlich unangenehme orange Farbe an, aber manchen Leuten sind auch tentakelartige Warzen am ganzen Körper gewachsen. Als ob das St. Mungo nicht schon genug zu tun hätte!« »Klingt ganz nach der Sorte von Dingen, die Fred und George lustig finden würden«, sagte Mrs Weasley zögernd. »Bist du sicher –?« »Natürlich bin ich sicher!«, sagte Mr Weasley. »Die Jungs würden so etwas nicht tun, nicht jetzt, wo alle Leute so verzweifelt nach Schutz suchen!« »Deshalb hast du dich also verspätet, wegen der Metamorph-Medaillen?« »Nein, wir haben Wind bekommen von einem üblen Bumerang-Fluch unten in Elephant and Castle, aber zum Glück hatte das Magische Strafverfolgungskommando die Lage schon unter Kontrolle, als wir dort ankamen …« Harry unterdrückte hinter vorgehaltener Hand ein Gähnen. »Ins Bett mit dir«, sagte Mrs Weasley prompt, die es gleich bemerkt hatte. »Ich hab das Zimmer von Fred und George für dich hergerichtet, du hast es ganz für dich allein.« »Warum, wo sind sie?« »Oh, sie sind in der Winkelgasse und schlafen in der kleinen Wohnung über ihrem Scherzladen, weil sie so viel zu tun haben«, sagte Mrs Weasley. »Ich muss gestehen, zuerst hat es mir nicht gefallen, aber sie scheinen tatsächlich ein Händchen für gute Geschäfte zu haben! Komm jetzt, mein Lieber, dein Koffer ist schon oben.« »Nacht, Mr Weasley«, sagte Harry und schob seinen Stuhl zurück. Krummbein sprang leichtfüßig von seinem Schoß und schlich aus dem Zimmer. »Gut Nacht, Harry«, sagte Mr Weasley. Als sie die Küche verließen, sah Harry, wie Mrs Weasley einen Blick auf die Uhr im Wäschekorb warf. Alle Zeiger wiesen wieder auf Das Zimmer von Fred und George lag im zweiten Stock. Mrs Weasley richtete ihren Zauberstab auf eine Lampe am Nachttisch, die sofort aufleuchtete und den Raum in einen behaglichen goldenen Schimmer tauchte. Eine große Vase voller Blumen stand auf einem Schreibtisch vor dem kleinen Fenster, doch ihr Duft konnte den in der Luft hängenden Geruch nicht überdecken, der Harry an Schießpulver erinnerte. Zahlreiche unbeschriftete und versiegelte Pappkartons nahmen einen beträchtlichen Teil des Fußbodens ein, und mittendrin stand Harrys Schulkoffer. Das Zimmer machte den Eindruck, als würde es provisorisch als Lagerraum benutzt. Hedwig schrie Harry von ihrem Platz oben auf einem großen Kleiderschrank aus glücklich entgegen und flog dann durchs Fenster davon; Harry wusste, dass sie auf ihn gewartet hatte, ehe sie jagen ging. Er wünschte Mrs Weasley gute Nacht, zog den Schlafanzug an und schlüpfte in eines der Betten. Im Kopfkissenbezug war etwas Hartes. Er schob die Hand hinein und zog eine klebrige lila-orange Süßigkeit hervor, die er gleich erkannte: Es war eine Kotzpastille. Mit einem leisen Lächeln drehte er sich auf die Seite und schlief sofort ein. Sekunden später, jedenfalls kam es Harry so vor, weckte ihn eine Art Kanonendonner, mit dem die Tür aufsprang. Er saß kerzengerade im Bett und hörte, wie jemand die Vorhänge mit einem Ratschen zurückzog: Blendendes Sonnenlicht stach ihm heftig in beide Augen. Er hielt sich schützend eine Hand davor und tastete mit der anderen verzweifelt nach seiner Brille. »Wasnlos?« »Wir wussten nicht, dass du schon da bist!«, sagte eine laute und aufgeregte Stimme, und er bekam einen heftigen Schlag auf den Kopf. »Ron, hau ihn nicht!«, sagte eine Mädchenstimme vorwurfsvoll. Harry hatte seine Brille gefunden und setzte sie auf, doch das Licht war so hell, dass er ohnehin kaum etwas sehen konnte. Ein langer, zitternder Schatten ragte einen Moment lang vor ihm auf; Harry blinzelte, und dann erkannte er allmählich Ron Weasley, der zu ihm heruntergrinste. »Alles klar?« »Bestens«, sagte Harry, rieb sich den Kopf und ließ sich in die Kissen zurückplumpsen. »Und bei dir?« »Geht so«, sagte Ron, zog einen Karton heran und setzte sich darauf. »Wann bist du gekommen? Mum hat es uns eben erst gesagt!« »Heute Nacht, gegen eins.« »Waren die Muggel okay? Haben sie dich anständig behandelt?« »So wie immer«, sagte Harry, während Hermine sich auf seinen Bettrand setzte. »Sie haben nicht viel mit mir geredet, aber das ist mir sowieso lieber. Wie geht's dir, Hermine?« »Oh, mir geht's gut«, erwiderte sie und musterte Harry, als ob er krank wäre. Er glaubte zu wissen, was der Grund dafür war, und da er im Augenblick keine Lust hatte, über Sirius' Tod oder irgendein anderes trauriges Thema zu reden, sagte er: »Wie viel Uhr ist es? Hab ich das Frühstück verpasst?« »Kein Problem, Mum bringt dir ein Tablett hoch, sie findet, dass du unterernährt aussiehst«, sagte Ron und rollte die Augen. »Also, was war bei dir los?« »Nicht viel, ich saß ja bei meiner Tante und meinem Onkel fest, oder?« »Hör schon auf damit!«, sagte Ron. »Du warst mit Dumbledore unterwegs!« »Das war nicht sonderlich spannend. Er wollte nur, dass ich ihm helfe, diesen alten Lehrer zu überreden, dass er aus dem Ruhestand zurückkommt. Er heißt Horace Slughorn.« »Oh«, sagte Ron mit enttäuschter Miene. »Wir dachten…« Hermine warf Ron einen warnenden Blick zu und Ron wechselte blitzschnell die Spur. »…wir dachten uns schon, dass es um so was Ähnliches ging.« »Tatsächlich?«, sagte Harry belustigt. »Ja… ja, jetzt, wo Umbridge weg ist, brauchen wir natürlich einen neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste, nicht wahr? Also, ähm, wie ist er?« »Er sieht ein bisschen wie ein Walross aus und war mal Hauslehrer von Slytherin«, sagte Harry. »Ist irgendwas, Hermine?« Sie beobachtete ihn, als wartete sie nur darauf, dass jeden Moment merkwürdige Symptome bei ihm auftauchen würden. Hastig setzte sie ein wenig überzeugendes Lächeln auf. »Nein, natürlich nicht! Also, ähm, sieht Slughorn nach einem guten Lehrer aus?« »Weißnich«, sagte Harry. »Schlimmer als Umbridge kann er nicht sein, oder?« »Ich kenn jemanden, der schlimmer ist als Umbridge«, sagte eine Stimme von der Tür her. Rons jüngere Schwester stapfte ins Zimmer, sie wirkte verärgert. »Hi, Harry.« »Was ist mit dir?«, fragte Ron. »Es ist wegen »Was hat sie denn jetzt wieder getan?«, fragte Hermine mitfühlend. »Es ist die Art, wie sie mit mir redet – man könnte meinen, ich wär gerade mal drei!« »Ich weiß«, sagte Hermine und senkte die Stimme. »Sie ist so was von eingebildet.« Harry war erstaunt, dass Hermine so über Mrs Weasley sprach, und konnte es Ron nicht verübeln, dass er wütend sagte: »Könnt ihr beide sie nicht mal fünf Sekunden lang in Ruhe lassen?« »Oh, alles klar, verteidige sie nur«, fauchte Ginny. »Wir wissen alle, dass du nicht genug von ihr kriegen kannst.« Das war irgendwie eine seltsame Bemerkung über Rons Mutter; Harry hatte allmählich das Gefühl, etwas nicht mitbekommen zu haben, und sagte: »Über wen –?« Doch seine Frage beantwortete sich von selbst, noch ehe er sie ganz ausgesprochen hatte. Die Tür flog erneut auf und Harry zog sich unwillkürlich die Bettdecke so heftig ans Kinn, dass Hermine und Ginny vom Bett auf den Boden rutschten. Eine junge Frau stand im Eingang, eine Frau von so atemberaubender Schönheit, dass das Zimmer auf einmal merkwürdig luftleer wirkte. Sie war groß und gertenschlank, hatte langes blondes Haar, und ein schwacher silbriger Glanz schien von ihr auszugehen. Wie um dieses Bild der Vollkommenheit perfekt zu machen, hielt sie ein schwer beladenes Frühstückstablett in den Händen. »'Arry«, sagte sie mit kehliger Stimme. »Es ist suu lange 'er!« Sie rauschte über die Schwelle auf ihn zu und Mrs Weasley tauchte auf, die hinter ihr herhüpfte und ziemlich mürrisch aussah. »Es wäre nicht nötig gewesen, das Tablett hochzubringen, das wollte ich gerade selber tun!« »Es war mir ein Vergnügen«, sagte Fleur Delacour, legte das Tablett über Harrys Knie, stürzte sich dann auf ihn und küsste ihn auf beide Wangen: Er spürte, wie es an den Stellen brannte, wo ihr Mund ihn berührt hatte. »Isch 'ab misch danach gesehnt, ihn su se'en. Erinnerst du disch an meine Schwester Gabrielle? Sie redet dauernd nur von 'Arry Potter. Sie wird entsückt sein, disch wiedersuse'en.« »Oh … ist sie auch hier?«, krächzte Harry. »Non, non, dummer Junge«, sagte Fleur mit einem klingenden Lachen, »isch meine nächsten Sommer, wenn wir – aber weißt du das nischt?« Ihre großen blauen Augen wurden noch größer, und sie sah vorwurfsvoll zu Mrs Weasley hinüber, die bemerkte: »Wir sind noch nicht dazu gekommen, es ihm zu sagen.« Fleur drehte sich wieder zu Harry und schwenkte ihre silberne Haarmähne, so dass sie Mrs Weasley ins Gesicht peitschte. »Bill und isch werden 'eiraten!« »Oh«, sagte Harry tonlos. Es war nicht zu übersehen, dass Mrs Weasley, Hermine und Ginny es allesamt entschlossen vermieden, sich anzusehen. »Wow. Ähm – gratuliere!« Sie stürzte sich wieder auf ihn und küsste ihn noch einmal. »Bill ist im Moment sehr beschäftigt, er arbeitet sehr 'art, und isch arbeite nur Teilseit bei Gringotts für mein Englisch, also 'at er misch für ein paar Tage 'ier'er gebracht, damit isch seine Familie rischtisch kennen lerne. Isch 'ab misch so gefreut, als isch ge'ört 'ab, dass du kommst – es gibt 'ier nischt viel su tun, außer man mag Kochen und Küken! Also – genieß dein Frühstück, 'Arry!« Mit diesen Worten drehte sie sich graziös um, schwebte förmlich aus dem Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich. Mrs Weasley machte ein Geräusch, das wie »Tscha!« klang. »Mum hasst sie«, sagte Ginny leise. »Ich hasse sie nicht!«, flüsterte Mrs Weasley ärgerlich. »Ich meine nur, dass sie es mit dieser Verlobung zu eilig hatten, das ist alles!« »Sie kennen sich seit einem Jahr«, sagte Ron, der merkwürdig angeschlagen wirkte und auf die geschlossene Tür starrte. »Also, das ist nicht sehr lang! Ich weiß natürlich, warum es passiert ist. Wegen dieser ganzen Unsicherheit, seit Du-weißt-schon-wer wieder zurück ist, die Leute denken, dass sie morgen schon tot sein könnten, also treffen sie alle möglichen überstürzten Entscheidungen, mit denen sie sich normalerweise Zeit lassen würden. Als er das letzte Mal mächtig war, war es genau dasselbe, wo du hinkamst, haben sich die Leute gegenseitig an den Hals geworfen – « »Auch du und Dad«, sagte Ginny verschmitzt. »Na ja, dein Vater und ich waren füreinander geschaffen, wieso hätten wir warten sollen?«, sagte Mrs Weasley. »Während Bill und Fleur … nun … was haben sie denn wirklich gemeinsam? Er ist ein fleißiger, bodenständiger Typ, sie dagegen ist – « »Eine Kuh«, sagte Ginny und nickte. »Aber Bill ist gar nicht so bodenständig. Er ist ein Fluchbrecher, stimmt's, er mag's gern ein bisschen abenteuerlich, ein bisschen glamourös … Ich glaube, deshalb fährt er auf Schleim ab.« »Hör auf, sie so zu nennen, Ginny«, sagte Mrs Weasley scharf, während Harry und Hermine lachten. »Also, ich geh jetzt besser … Iss dein Rührei, solang es noch warm ist, Harry.« Sie verließ das Zimmer, offenbar vergrämt. Ron wirkte immer noch ein wenig durcheinander; er schüttelte probehalber den Kopf, wie ein Hund, der Wasser in den Ohren loswerden will. »Gewöhnt man sich nicht an sie, wenn sie im selben Haus wohnt?«, fragte Harry. »Doch, schon«, sagte Ron. »Aber wenn sie sich überraschend auf dich stürzt, wie vorhin …« »Es ist erbärmlich«, sagte Hermine wütend, marschierte so weit wie möglich von Ron weg, bis sie die Wand erreichte, und drehte sich dann mit verschränkten Armen wieder zu ihm um. »Du willst sie doch nicht im Ernst ständig um dich haben?«, fragte Ginny Ron ungläubig. Als er nur die Achseln zuckte, sagte sie: »Also, Mum wird dem ein Ende bereiten, wenn sie kann, da geh ich jede Wette mit dir ein.« »Wie will sie das schaffen?«, fragte Harry. »Sie bemüht sich ständig, dass Tonks zum Abendessen kommt. Ich glaube, sie hofft, dass Bill sich dann stattdessen in Tonks verliebt. Das hoffe ich auch, ich hätte viel lieber Tonks in der Familie.« »Ja, das wird sicher funktionieren«, sagte Ron sarkastisch. »Hör mal, kein Typ, der sie noch alle hat, wird sich in Tonks verknallen, solange Fleur in der Nähe ist. Ich meine, Tonks sieht okay aus, wenn sie nicht gerade blödsinnige Sachen mit ihrem Haar und ihrer Nase anstellt, aber – « »Sie ist verdammt viel netter als »Und sie ist intelligenter, sie ist ein Auror!«, meldete sich Hermine aus der Ecke. »Fleur ist nicht dumm, sie war so gut, dass sie es bis ins Trimagische Turnier geschafft hat«, sagte Harry. »Du nicht auch noch!«, sagte Hermine verbittert. »Ich schätze, du magst die Art, wie Schleim immer ›'Arry‹ sagt, was?«, bemerkte Ginny verächtlich. »Nein«, erwiderte Harry und wünschte sofort, er hätte gar nichts gesagt. »Ich hab nur gesagt, dass Schleim – ich meine, Fleur – « »Ich hätte viel lieber Tonks in der Familie«, sagte Ginny. »Sie ist wenigstens lustig.« »In letzter Zeit war sie gar nicht so lustig«, stellte Ron fest. »Jedes Mal, wenn ich sie getroffen habe, sah sie eher aus wie die Maulende Myrte.« »Das ist nicht fair«, fauchte Hermine. »Sie ist immer noch nicht über das weggekommen, was passiert ist … du weißt … ich meine, er war verwandt mit ihr!« Harry wurde das Herz schwer. Sie waren bei Sirius angelangt. Er nahm eine Gabel und fing an, sich Rührei in den Mund zu schaufeln, in der Hoffnung, dass er damit jede Aufforderung abwehren konnte, sich an diesem Teil des Gesprächs zu beteiligen. »Tonks und Sirius kannten sich kaum!«, sagte Ron. »Sirius war ihr halbes Leben lang in Askaban, und davor haben sich ihre Familien nie getroffen – « »Darum geht's nicht«, sagte Hermine. »Sie meint, es war ihre Schuld, dass er umgekommen ist!« »Wie kommt sie denn darauf?«, sagte Harry unwillkürlich. »Na ja, sie hat schließlich gegen Bellatrix Lestrange gekämpft. Ich glaube, sie denkt, wenn sie Bellatrix nur erledigt hätte, dann hätte Bellatrix Sirius nicht töten können.« »Das ist Unsinn«, erwiderte Ron. »Das ist das Schuldgefühl der Überlebenden«, sagte Hermine. »Ich weiß, dass Lupin versucht hat, ihr das auszureden, aber sie ist immer noch ziemlich fertig. Sie hat sogar Schwierigkeiten mit ihrem Metamorphosieren!« »Mit ihrem –?« »Sie kann nicht mehr wie früher ihr Aussehen verändern«, erklärte Hermine. »Ich glaube, ihre Kräfte sind wahrscheinlich durch einen Schock oder irgendwas angegriffen worden.« »Ich wusste nicht, dass so was passieren kann«, sagte Harry. »Ich auch nicht«, erwiderte Hermine, »aber ich nehme an, wenn du wirklich deprimiert bist …« Die Tür ging von neuem auf und Mrs Weasley steckte den Kopf herein. »Ginny«, flüsterte sie, »komm runter und hilf mir mit dem Mittagessen.« »Ich unterhalte mich gerade!«, sagte Ginny empört. »Sofort!«, sagte Mrs Weasley und ging wieder. »Sie will mich nur unten dabeihaben, damit sie nicht mit Schleim allein sein muss!«, sagte Ginny mürrisch. Sie schwenkte ihr langes rotes Haar ganz genau wie Fleur durch die Luft und tänzelte mit erhobenen Armen wie eine Ballerina quer durchs Zimmer. »Ihr solltet besser auch schnell runterkommen«, sagte sie beim Hinausgehen. Harry nutzte die zeitweilige Stille, um weiterzufrühstücken. Hermine spähte in Freds und Georges Kartons, warf jedoch ab und zu Seitenblicke auf Harry. Ron, der sich inzwischen von Harrys Toast bediente, starrte immer noch träumerisch auf die Tür. »Was ist das denn?«, fragte Hermine schließlich und hielt etwas hoch, das wie ein kleines Teleskop aussah. »Keine Ahnung«, sagte Ron, »aber wenn Fred und George es hier gelassen haben, ist es wahrscheinlich noch nicht fertig für den Scherzladen, also sei lieber vorsichtig.« »Deine Mum meinte, dass der Laden gut läuft«, sagte Harry. »Fred und George hätten ein echtes Händchen für gute Geschäfte.« »Das ist untertrieben«, sagte Ron. »Die schwimmen in Galleonen! Ich kann's gar nicht erwarten, bis ich den Laden mal sehe. Wir waren noch nicht in der Winkelgasse, weil Mum will, dass Dad sicherheitshalber mitkommt, und der hatte in letzter Zeit bei der Arbeit so viel zu tun, aber es hört sich absolut spitze an.« »Und was ist mit Percy?«, fragte Harry. Der drittälteste Weasley-Bruder hatte sich mit dem Rest der Familie zerstritten. »Redet er wieder mit deiner Mum und deinem Dad?« »Von wegen«, sagte Ron. »Aber er weiß, dass dein Dad die ganze Zeit über Recht hatte, wegen Voldemort, dass er jetzt zurück ist – « »Dumbledore meint, dass es den Menschen viel leichter fällt, anderen zu verzeihen, wenn sie sich geirrt haben, als wenn sie Recht hatten«, sagte Hermine. »Ich hab gehört, wie er das zu deiner Mum gesagt hat, Ron.« »Klingt ganz nach Dumbledore, diese Art von Weisheit«, sagte Ron. »Er will mir dieses Jahr Einzelunterricht geben«, warf Harry beiläufig ein. Ron verschluckte sich an seinem Stück Toast, und Hermine schnappte nach Luft. »Das hast du uns verschwiegen!«, sagte Ron. »Ist mir eben erst wieder eingefallen«, beteuerte Harry »Er hat es mir letzte Nacht in eurem Besenschuppen gesagt.« »Wahnsinn … Einzelunterricht bei Dumbledore!«, sagte Ron und sah beeindruckt aus. »Ich frag mich, warum er …?« Seine Stimme erstarb. Harry sah ihn und Hermine Blicke austauschen. Er legte Messer und Gabel weg und sein Herz pochte ziemlich schnell, wenn man bedachte, dass er nichts tat, außer im Bett zu sitzen. Dumbledore hatte gesagt, dass er es tun sollte … warum nicht jetzt? Er starrte seine Gabel an, die im Sonnenlicht glitzerte, das in seinen Schoß fiel, und sagte: »Ich weiß nicht genau, warum er mir Unterricht geben will, aber ich denke, es muss wegen der Prophezeiung sein.« Weder Ron noch Hermine sagten etwas. Harry hatte den Eindruck, dass beide erstarrt waren. Er fuhr fort und sprach dabei nach wie vor zu seiner Gabel: »Ihr wisst schon, die sie versucht haben aus dem Ministerium zu stehlen.« »Aber keiner weiß, wie sie gelautet hat«, sagte Hermine rasch. »Sie ist zerbrochen.« »Der »Der Die drei schauten sich einen Moment lang schweigend an. Dann gab es einen lauten Knall und Hermine verschwand hinter einer schwarzen Rauchwolke. »Hermine!«, riefen Harry und Ron; das Frühstückstablett rutschte vom Bett und krachte auf den Boden. Hermine tauchte hustend aus dem Rauch auf, das Teleskop in den Händen und ein leuchtendes Veilchen am Auge. »Ich hab es gedrückt und es – es hat mir einen Schlag verpasst!«, keuchte sie. Und tatsächlich, jetzt sahen sie eine winzige Faust an einer langen Feder, die aus der Spitze des Teleskops herausragte. »Keine Sorge«, sagte Ron, der sich offensichtlich das Lachen verkniff. »Mum kriegt das schon wieder hin, kleinere Verletzungen kann sie prima behandeln – « »Ach was, ist jetzt nicht so wichtig!«, sagte Hermine hastig. »Harry, oh, Harry …« Sie setzte sich wieder auf seinen Bettrand. »Als wir aus dem Ministerium zurück waren, haben wir uns schon gefragt … Natürlich wollten wir nichts zu dir sagen, aber nach dem, was Lucius Malfoy über die Prophezeiung erzählt hat, dass sie dich und Voldemort betrifft, also, da dachten wir uns gleich, dass es so was sein könnte … oh, Harry …« Sie starrte ihn an, dann flüsterte sie: »Hast du Angst?« »Inzwischen nicht mehr so viel«, sagte Harry. »Als ich sie zum ersten Mal gehört hab, schon … aber jetzt kommt es mir so vor, als hätte ich immer gewusst, dass ich ihm am Ende gegenübertreten muss …« »Als wir hörten, dass Dumbledore dich persönlich abholt, dachten wir, dass er dir vielleicht etwas mitteilen oder etwas zeigen will, das mit der Prophezeiung zu tun hat«, sagte Ron eifrig. »Und irgendwie hatten wir Recht, nicht wahr? Er würde dir nicht Unterricht geben, wenn er dich schon aufgegeben hätte, er würde seine Zeit nicht verschwenden – er denkt ganz sicher, dass du eine Chance hast!« »Das stimmt«, sagte Hermine. »Was er dir wohl beibringen wird, Harry? Richtig fortgeschrittene defensive Magie wahrscheinlich … wirkungsvolle Gegenflüche … Bannbrecher …« Harry hörte nicht richtig zu. Eine Wärme breitete sich in ihm aus, die nichts mit dem Sonnenlicht zu tun hatte; etwas, das seine Brust eng zugeschnürt hatte, schien sich aufzulösen. Er wusste, dass Ron und Hermine schockierter waren, als sie sich anmerken ließen, doch dass sie nach wie vor hier, zu beiden Seiten seines Bettes, saßen, ihm mit aufmunternden Worten Trost spendeten und nicht vor ihm zurückwichen, als wäre er ansteckend oder gefährlich, allein diese Tatsache war mehr wert, als er ihnen je sagen konnte. »… und die ganzen Ausweichzauber«, schloss Hermine. »Also, wenigstens kennst du ein Fach, das du dieses Jahr haben wirst, das ist eins mehr, als Ron und ich kennen. Wann kommen eigentlich unsere ZAG-Ergebnisse?« »Kann nicht mehr lange dauern, es ist schon einen Monat her«, sagte Ron. »Augenblick mal«, warf Harry ein, der sich gerade an einen weiteren Teil des Gesprächs der vergangenen Nacht erinnerte. »Ich glaube, Dumbledore hat gesagt, dass unsere ZAG-Ergebnisse heute kommen!« »Heute?«, kreischte Hermine. » Sie sprang auf. »Ich schau mal nach, ob irgendwelche Eulen da sind …« Doch als Harry zehn Minuten später nach unten kam, vollständig angezogen und mit seinem leeren Frühstückstablett in der Hand, fand er Hermine in heller Aufregung am Küchentisch sitzen, während Mrs Weasley sich darum bemühte, dass sie weniger wie ein halber Panda aussah. »Da tut sich überhaupt nichts«, sagte Mrs Weasley besorgt. Sie stand über Hermine gebeugt, mit dem Zauberstab in der Hand und einer Ausgabe von »Sieht ganz nach der Art von Scherz aus, die Fred und George lustig finden, die würden dafür sorgen, dass es auch ja nicht mehr weggeht«, sagte Ginny. »Aber es muss weggehen!«, piepste Hermine. »Ich kann doch nicht bis in alle Ewigkeit so rumlaufen!« »Das wirst du auch nicht, meine Liebe, wir finden schon ein Gegenmittel, mach dir keine Sorgen«, beschwichtigte sie Mrs Weasley. »Bill 'at mir gesagt, wie sehr amusant Fred und Schorsch sind!«, sagte Fleur mild lächelnd. »Ja, ich krieg kaum noch Luft vor Lachen!«, fauchte Hermine. Sie sprang auf und begann in der Küche im Kreis herumzugehen, die Finger ineinander verschlungen. »Mrs Weasley, sind Sie sich ganz, ganz sicher, dass heute Morgen keine Eulen angekommen sind?« »Ja, meine Liebe, das hätte ich bemerkt«, sagte Mrs Weasley geduldig. »Aber es ist noch nicht mal neun, da ist noch genug Zeit …« »Ich weiß, dass ich Alte Runen vermasselt hab«, murmelte Hermine fieberhaft, »ich hab bestimmt mindestens einen schweren Übersetzungsfehler gemacht. Und der praktische Teil in Verteidigung gegen die dunklen Künste ging völlig daneben. Ich dachte zuerst, Verwandlung wäre gut gelaufen, aber jetzt im Nachhinein – « »Hermine, halt mal den Mund, du bist nicht die Einzige, die nervös ist!«, bellte Ron. »Und wenn du deine elf ›Ohnegleichen‹-ZAGs hast …« »Hör auf, hör auf, hör auf!«, rief Hermine und wedelte hysterisch mit den Händen durch die Luft. »Ich bin ganz bestimmt überall durchgefallen!« »Was passiert, wenn wir durchfallen?«, fragte Harry in die Runde, doch es war wieder Hermine, die antwortete. »Wir besprechen mit unserem Hauslehrer, wie unsere weiteren Möglichkeiten aussehen; ich hab am Ende des letzten Jahres Professor McGonagall danach gefragt.« Harrys Magen verkrampfte sich. Er bereute, dass er so viel gefrühstückt hatte. »In Beauxbatons«, sagte Fleur selbstgefällig, »'aben wir es anders gemacht. Isch denke, es war besser. Wir 'atten unsere Prüfungen nach sechs Jahren Studium, nischt fünf, und dann – « Fleurs Worte gingen in einem Schrei unter. Hermine wies zum Küchenfenster hinaus. Drei schwarze Flecken waren deutlich am Himmel zu erkennen, sie wurden immer größer. »Das sind eindeutig Eulen«, sagte Ron heiser, sprang auf und stellte sich neben Hermine ans Fenster. »Und es sind drei«, sagte Harry und eilte an ihre andere Seite. »Eine für jeden von uns«, flüsterte Hermine entsetzt. »O nein … o nein … o nein …« Sie packte Harry und Ron fest an den Ellbogen. Die Eulen flogen direkt auf den Fuchsbau zu, es waren drei hübsche Waldkäuze, und als sie über dem Weg zum Haus hin tiefer flogen, konnte man sehen, dass jede von ihnen einen großen rechteckigen Umschlag trug. »O Mrs Weasley zwängte sich an ihnen vorbei und öffnete das Küchenfenster. Eins, zwei, drei, rauschten die Eulen hindurch und landeten ordentlich in einer Reihe auf dem Tisch. Alle drei hoben ihr rechtes Bein. Harry trat vor. Der an ihn adressierte Brief war am Bein der mittleren Eule befestigt. Er band ihn mit ungeschickten Fingern los. Links von ihm versuchte Ron gerade sein eigenes Zeugnis abzukriegen; rechts von ihm bebten Hermines Hände dermaßen, dass sie ihre ganze Eule zum Zittern brachte. Niemand in der Küche sprach ein Wort. Endlich schaffte es Harry, den Umschlag abzulösen. Er schlitzte ihn rasch auf und faltete das Pergament darin auseinander. Bestanden mit den Noten: Nicht bestanden mit den Noten: Harry las das Pergament mehrmals durch, und mit jedem Mal wurde ihm leichter ums Herz. Es war schon in Ordnung: Er hatte immer gewusst, dass er in Wahrsagen durchfallen würde, und er hatte keine Chance gehabt, in Geschichte der Zauberei durchzukommen, schließlich war er ja mitten in der Prüfung zusammengebrochen – aber alles andere hatte er bestanden! Er fuhr mit dem Finger die Noten entlang … er hatte in Verwandlung und Kräuterkunde gut abgeschnitten und sogar in Zaubertränke die Erwartungen übertroffen! Und das Beste von allem war, dass er in Verteidigung gegen die dunklen Künste ein »Ohnegleichen« geschafft hatte! Er sah sich um. Hermine hatte ihm den Rücken zugewandt und den Kopf gesenkt, aber Ron schien sich zu freuen. »Bin nur in Wahrsagen und Zaubereigeschichte durchgefallen, und wen juckt das schon?«, sagte er glücklich zu Harry. »Hier – tauschen – « Harry warf einen Blick auf Rons Noten: Ein »Ohnegleichen« war nicht dabei… »Ich wusste, dass du in Verteidigung gegen die dunklen Künste spitze bist«, sagte Ron und schlug Harry auf die Schulter. »Wir haben's gepackt, stimmt's?« »Gut gemacht!«, sagte Mrs Weasley stolz und verstrubbelte Ron die Haare. »Sieben ZAGs, das sind mehr, als Fred und George zusammen hatten!« »Hermine?«, sagte Ginny behutsam, denn Hermine hatte sich immer noch nicht umgedreht. »Wie ist es bei dir gelaufen?« »Ich – nicht schlecht«, sagte Hermine kleinlaut. »Jetzt hör aber auf«, sagte Ron, ging zu ihr hinüber und riss ihr das Zeugnis aus der Hand. »Jep – zehn ›Ohnegleichen‹, und ein Erwartungen übertroffen‹ in Verteidigung gegen die dunklen Künste.« Er schaute zu ihr hinunter, halb belustigt, halb wütend. »Du bist tatsächlich enttäuscht, stimmt's?« Hermine schüttelte den Kopf, aber Harry lachte. »Also, jetzt sind wir UTZ-Schüler!« Ron grinste. »Mum, sind noch Würstchen da?« Harry sah sich wieder seine Ergebnisse an. Mehr hatte er sich wirklich nicht erhoffen können. Er spürte nur einen winzigen Stich … schade, dies war das Ende seines Wunschtraums, ein Auror zu werden. Er hatte die erforderliche Note in Zaubertränke nicht geschafft. Er hatte die ganze Zeit gewusst, dass er das nicht schaffen würde, und trotzdem spürte er ein flaues Gefühl im Magen, als er noch einmal auf das kleine schwarze »E« blickte. Eigentlich seltsam, es war ein maskierter Todesser gewesen, der Harry zum ersten Mal gesagt hatte, dass aus ihm ein guter Auror werden könnte, aber irgendwie hatte ihn diese Vorstellung nicht mehr losgelassen, und ihm fiel so recht nichts anderes ein, was er gerne werden wollte. Außerdem kam es ihm wie seine wahre Berufung vor, seit er vor einem Monat die Prophezeiung gehört hatte … |
|
|