"Expedition zur Sonne" - читать интересную книгу автора (Clement Hal)

FEUERFEST


Hart wartete eine volle Stunde, nachdem die letzten Geräusche verstummt waren, bevor er vorsichtig die Tür seines Unterschlupfs öffnete. Sogar dann fühlte er sich noch minutenlang unsicher. Erst als er das Vorratslager gründlich durchsucht hatte, kräuselte ein verächtliches Lächeln seine Lippen.

„Diese Narren!“ murmelte er. „Sie untersuchen ihre Ladungen überhaupt nicht. Wie, glauben sie denn, können sie ihre Zonen kontrollieren, wenn so inkompetente Leute am Werk sind.“ Er blickte auf die Analysatoren am Unterarm seines Raumanzugs und revidierte seine Meinung ein wenig — die Luft im Lagerraum war pures Kohlendioxyd. Jeder, der Harts Wagnis unternommen hätte, aber ohne den Luftvorrat, über den er verfügte, hätte es nicht überlebt. Trotzdem, sie hätten nachsehen müssen, dachte der Agent.

Aber er hatte gar keine Zeit, die Handlungsweisen anderer zu analysieren, er hatte seinen eigenen Job zu tun, und allzu lange durfte er nicht dazu brauchen. Wie schlampig auch immer die Organisation dieser Abschußstation war, es gab keine Chancen, irgendwelche ihrer wichtigen Bereiche gefahrlos zu erreichen.

Erfolg und Tod lagen nahe beieinander.

Er glitt zurück zu der Kiste, in die sein durch den Raumanzug an Umfang verdoppelter Körper kaum gepaßt hatte, setzte sorgfältig wieder den Deckel darauf und versiegelte ihn neu.

Dann stellte er die Kiste weiter nach hinten, um der Möglichkeit zu entgehen, daß sie vielleicht als erste geöffnet wurde.

Dazu mußte er mehrere andere Behälter nach vorn schieben.

Sie waren zwar groß, aber nichts auf dieser im freien Fall befindlichen Station besaß ein Gewicht, und er beendete die Arbeit rasch für einen Mann, der an das Fehlen jeglicher Schwerkraft nicht gewohnt war. Mit seinen Vorbereitungen zufrieden, ging Hart zur Tür des Lagerraums, aber bevor er sie öffnete, blieb er stehen, um noch einmal im Geist seinen Plan durchzugehen.

Er mußte in der Nähe des äußeren Randes der Station sein.

Der Geheimdienst war nicht in der Lage gewesen, Pläne von dieser Abschußstation zu erhalten — eine Tatsache, die ihn eigentlich zum Nachdenken anregen sollte. Aber es gab keine Zweifel daran, wie er vorgehen mußte. Der Lagerraum und die Wohnquartiere mußten gleich unter der Oberfläche der Sphäre sein. Dann würde eine Abteilung mit Maschinen und Kontrollsystemen sich anschließen. Und in der Mitte, innerhalb der Abschirmung, die den Großteil der Station ausmachte, befand sich der „heiße“ Sektor — die Räume, die die Kernreaktoren enthielten, die ferngesteuerte Maschinerie, die die Torpedos scharfmachte, die Torpedos, die der Hauptgrund für die Existenz der Station waren.

Viele solcher Strukturen kreisten um die Erde. Jede Nation auf dem Globus unterhielt mindestens eine und für gewöhnlich sogar mehrere. Hart hatte eine solche Station besucht, die seinem Land gehörte, um sich mit der Technik und wenigstens einigermaßen mit der Schwerelosigkeit vertraut zu machen. Er hatte die Pläne der Station sorgfältig studiert und sich von Wissenschaftlern die Funktion aller Teile erklären lassen, ebenso, wie sich die Stationen der Westlichen Allianz von anderen unterschieden.

Und was das Wichtigste war, sie hatten ihm darlegen müssen, auf welche Weise man diese Stationen zerstören konnte. Hart lächelte zynisch, als er daran dachte. Diese Leute, die das Vergnügen persönlicher Freiheit der Zweckmäßigkeit vorzogen, würden sehen, was Zweckmäßigkeit zu vollbringen imstande war.

Aber sein Zögern war nicht zweckmäßig. Er hatte seine Pläne bereits lange vorher gemacht. Und es war höchste Zeit, daß er an ihre Ausführung ging. Er mußte sich in der Nähe von Raketentreibstoff befinden, und ein Teil der Luft in der Station muß te genug Sauerstoff enthalten, um atembar zu sein. Ohne noch weiter zu zögern, öffnete er die Tür und glitt hinaus in den Korridor.

Er ging nicht blindlings. Winzige Detektoren, die am Armgelenk seines Raumanzugs eingebaut waren, würden ihn warnen, denn sie reagierten auf die infraroten Strahlen, den Wasserdampf, das Kohlendioxyd und sogar auf die Atemgeräusche, die von einem Menschen ausgingen — außer dieser Mensch trug einen nicht metallischen Anzug wie Hart. Offensichtlich besaß das Personal dieser Station aber nicht solche Anzüge, denn zweimal während der ersten zehn Minuten wurde der Saboteur durch ein Reagieren seiner winzigen Instrumente in ein Versteck getrieben. Während dieser zehn Minuten hatte er bereits ein gutes Stück der äußeren Zone zurückgelegt.

Er lernte rasch, daß ein Gebiet, in dem eine Kohlendioxyd- Atmosphäre aufrechterhalten wurde, in seiner Ausdehnung beschränkt war. Wahrscheinlich diente es als Quarantäne-Zone für neu eingetroffene Vorräte oder als Lagerraum. Es wurde auf der einen Seite von einem Korridor umgeben, von dem luftdichte Türen in die Kohlendioxyd-Räume führten, und auf der anderen Seite von normalen Türen, die in die anderen Lagerräume abgingen. Hart wunderte sich über diese riesigen Lagerräume. Dann wurde seine Aufmerksamkeit von etwas anderem in Anspruch genommen. Er wollte sich gerade den Korridor hinabgleiten lassen, auf der Suche nach Zweigkorridoren, die zum Treibstofflager führten als ihm ein winziger Fleck an der einen Wand ins Auge stach.

Sofort trat er näher, um ihn genauer zu betrachten, und erkannte ihn rasch als photoelektrisches Auge. Es schien keine Linse vorhanden zu sein, was auf eine Strahleneinrichtung schließen ließ. Aber der Strahl selbst war nicht sichtbar. Auch konnte Hart keinen Projektor entdecken. Das bedeutete, daß es lebenswichtig war, den Strahl zu vermeiden. Er blieb stehen, um nachzudenken.

Im Beobachtungsraum auf der zweiten Ebene kicherte Dr. Bruce Mayhew laut.

„Es ist großartig, einen Überheblichkeitskomplex zu haben.

Er ist zum erstenmal stehengeblieben — und er schien keine Zweifel an seiner Sicherheit zu hegen, bevor er das Auge sah.

Anscheinend wirken die alten Phrasen von dekadenten Demokratien noch immer. Er muß eher ein militärischer Agent sein als ein Wissenschaftler.“

Warren Floyd nickte.

„Wissenschaftler oder nicht, für einen solchen Job sucht man keinen Idioten aus. Glauben Sie, daß er Explosivstoff bei sich trägt? Ein Mann allein kann kaum genug Chemikalien bei sich haben, um eine Anzahl von Lecks in der äußeren Hülle zu verursachen.“

„Vielleicht hofft er, ins Zentrum zu gelangen und einen Sprengkopf zu öffnen“, erwiderte der ältere Mann, „obwohl ich mir nicht vorstellen kann, wie er das erwarten kann. In seiner Nähe ist eine Riesenmenge Treibstoff, natürlich. Aber der ist nur für Torpedos. Für uns also ungefährlich.“

„Ein Feuer wäre sehr unangenehm, auch wenn keine Explosion zustande kommt“, bemerkte der Assistent. „Besonders, weil alles aus fast purem Magnesium besteht. Ich weiß, es ist sündteuer, solche Massen von der Erde zu transportieren, aber ich wünschte, sie hätten diese Station aus irgendeinem Material gebaut, das weniger hitze- und Sauerstoffempfindlich ist.“

„Keine Angst“, erwiderte Mayhew. „Er wird kein Feuer zustande bringen.“

Floyd blickte auf die zuckenden Bildschirme, die bewaffnete Männer zeigten, wie sie in Parallelkorridoren mit dem Agenten Schritt hielten, und nickte.

„Ich nehme es auch nicht an — vorausgesetzt, Ben und seine Mannschaft sind nicht zu langsam, wenn wir das Signal geben.“

„Sie meinen, wenn ich das Signal gebe“, sagte der andere.

„Ich habe meine Gründe, ihn solange wie möglich frei agieren zu lassen. Je länger er frei ist, eine desto schlechtere Meinung wird er von uns haben. Wenn wir ihn dann überraschend schnappen, wird er keine Gelegenheit zum Selbstmord haben, und der plötzliche Zusammenbruch seines Selbstvertrauens wird die Befragung erleichtern.“

Floyd hoffte im stillen, daß nichts passieren möge, was der Zuversicht seines Vorgesetzten schaden könnte, aber klugerweise sagte er nichts. Und die beiden Männer beobachteten Harts weitere Bewegungen fast schweigend während der nächsten Minuten. Hie und da sprach Floyd ein oder zwei Worte mit der Suchtruppe, um sie über den jeweiligen Standort seines Opfers zu informieren. Aber kein anderer Laut unterbrach das angespannte Warten.

Endlich hatte Hart einen Korridor gefunden, der von dem abzweigte, den er bisher entlanggeglitten war, und bog vorsichtig in den neuen Gang ein. Inzwischen wußte er, in welchen Abständen die Photoaugen angebracht waren und wich ihnen beinahe schon automatisch aus. Er kam gar nicht auf den Gedanken, daß der Anblick eines Mannes im Raumanzugs, der durch die äußeren Korridore ging, einen Beobachter nicht überraschen mußte, um so mehr aber die Anwesenheit eines Mannes, der den Photostrahlen auswich, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Linsen der Suchgeräte waren so klein und so gut verborgen, daß Hart sie nicht entdecken konnte, und er glaubte tatsächlich, daß die Photoaugen die einzigen Fallen waren, in die er tappen könnte. Da es ihm immer leichter fiel, sie zu umgehen, wuchsen sein Selbstvertrauen und seine Verachtung für die Bewohner der Station, wie Mayhew es vorhergesagt hatte.

Mehrmals kam er an automatischen „Luftbremsen“ vorbei, die die Aufgabe hatten, Sektionen mit einem Leck abzuriegeln.

Mit einem Stahlkeil, der an seinem Raumanzug befestigt war, zerstörte er diese Bremsen. Die Aktionen überzeugten Mayhew, daß der Agent kein Wissenschaftler war. Er agierte nämlich mit einer Geschicklichkeit, die den erfahrenen Einbrecher oder Spion charakterisierte. In der Stunde, bevor er fand, was er suchte, durchbrach er mehr als zwanzig Luftbremsen.

Bald gelangte Hart in einen Teil des Korridors, der mit Ventilvorrichtungen statt mit Türen ausgestattet war, und er wußte, daß sich eine Flüssigkeit hinter den Wänden befinden mußte.

Oberhalb der Ventile waren Zeichen eingeritzt, die dem Spion nichts sagten. Aber er hantierte vorsichtig am Griff eines Ventils, bis ein wenig Flüssigkeit in den Korridor rann. Vorsichtig testete er sie. Mit dem Ergebnis war er zufrieden. Die Flüssigkeit war Kohlenwasserstoff mit niederem Verflüchtigungsgrad, der zusammen mit flüssigem Sauerstoff dazu benutzt wurde, die Raum-Torpedos anzutreiben. Ein billiges Material, dessen niedriger Dampfdruck das Lagerproblem in Stationen im offenen Raum vereinfachte.

Alles, was Hart wirklich wußte, war, daß das Zeug so lange brennen würde, solange Sauerstoff vorhanden war. Nun — er grinste bei dem Gedanken — eine Zeitlang würde noch Sauerstoff da sein. Bis die Verbrennungsgase das von Hitze erweichte Metall der äußeren Wand in den Raum jagen würde. Und danach würde kein Sauerstoff mehr da sein, außer vielleicht im Zentrum, wo die Konzentration der Radioaktivität es gewiß machte, daß keiner da sein würde, der ihn atmete.

Jetzt war natürlich die zweite Ebene, wie alle anderen, versperrt.

Aber dem konnte abgeholfen werden. In jedem Fall würde die Explosion des befreiten Brennstoffs die relativ dünnen Innenwände vernichten. Zu diesem Zeitpunkt wußte er noch nicht, daß diese Wände aus Magnesium bestanden. Sonst wäre er seiner Sache noch sicherer gewesen.

Er blickte den Korridor entlang. So weit die Biegung ihm zu sehen erlaubte, befanden sich die Ventile im Abstand von wenigen Metern in den Wänden. Jedes Ventil hatte eine kleine elektrische Pumpe, die Luft in den Tank dahinter beförderte, um die Flüssigkeit durch Druck herauszutreiben, da hier keine Schwerkraft existierte. Über diesen Punkt dachte Hart gar nicht nach. Ein kurzer Test zeigte ihm, daß die Flüssigkeit floß, wenn man die Ventile öffnete, und das genügte ihm. Er stand neben dem ersten Ventil, nahm einen Gegenstand aus seinem Raumanzug und untersuchte ihn sorgfältig. Schließlich befestigte er ihn außen am Gürtel, wo er ihn leicht erreichen konnte.

Als Floyd dieses Objekt sah, traf ihn beinahe der Schlag.

„Eine Brandbombe!“ keuchte er. „Wir können ihn unmöglich erwischen und ihn rechtzeitig aufhalten! Und im Korridor fliegt schon Brennstoff herum!“

Er hatte recht. Mit langen, gleitenden Schritten ging der Agent von Ventil zu Ventil und blieb bei jedem stehen, um es zu öffnen und die ballonartige Masse von ausströmender Flüssigkeit mit den Armen in den Korridor zu schieben. Tropfen und Fetzen des entflammbaren Stoffes schwebten kreuz und quer umher.

Mayhew zündete sich ruhig eine Zigarette an und achtete nicht darauf, wie die Streichholzflamme vom Luftzug des Dekkenventilators nach unten geweht wurde.

„Das ist wirklich kein Physiker“, murmelte er. „Das ist ein Militäragent. Sie hätten es auch sicher nicht riskiert, einen Forscher mit diesem Job zu betrauen. Ich fürchte, ich werde von ihm nicht erfahren, was ich wissen will.“

„Aber was sollen wir tun?“ fragte Floyd erregt. „In dem Korridor fliegt nun genug Treibstoff herum, um die ganze äußere Hülle zu sprengen, und mit jeder Sekunde wird es mehr! Ich weiß, Sie sind schon viel länger hier als ich, aber wenn Sie mir nicht erzählen, wie Sie ihn davon abhalten wollen, das Zeug anzuzünden, gehe ich jetzt sofort in eine Kabine.“

„Wenn das alles explodiert, wird es Ihnen auch nichts nützen, in einer Kabine zu sein.“

„Das weiß ich!“ schrie Floyd. „Aber was für eine Chance haben wir denn sonst noch? Warum haben Sie ihn so weit kommen lassen?“

„Es ist immer noch keine Gefahr“, stellte Mayhew gelassen fest, „mögen Sie es nun glauben oder nicht. Aber wie dem auch sei, der Brennstoff kostet Geld, und es wird eine ziemliche Arbeit sein, ihn wiederzugewinnen. Also sehe ich nicht ein, warum wir es ihm nicht gönnen sollen, alle Treibstofftanks zu leeren. Jetzt ist er wenigstens aufgeregt genug.“ Er wandte sich dem Mikrophon zu und gab das Signal zur Aktion. „Packt ihn jetzt. Er scheint keine Handwaffen zu haben, aber verlaßt euch nicht darauf. Zumindest hat er eine Brandbombe.“ Dann griff er zu einem anderen Schalter und verhinderte mit einem Druck darauf, daß die Außenventilatoren arbeiteten. Und dann entspannte er sich wieder und widmete seine Aufmerksamkeit erneut dem Bildschirm, auf dem er die Aktivitäten des Agenten verfolgen konnte. Floyd betrachtete einen anderen Bildschirm, der einen größeren Teil des Korridors zeigte. Die Beobachter sahen die Angreifer im Raumanzug im selben Augenblick, in dem Hart sie entdeckte.

Der Europäer reagierte sofort — und zu rasch, denn als er sich zu seinen Feinden umwandte, verfehlte er den Ventilgriff, nach dem er gerade gefaßt hatte, und flog hilflos durch den Raum, bevor er den nächsten erreichte. Nachdem er Halt gefunden hatte, handelte er wie geplant und ignorierte mit beachtlicher Selbstkontrolle die vier bewaffneten Gestalten, die ihn umzin gelten. Mit einer scharfen Drehung öffnete er das Brennstoff- Ventil, das einen öligen Pilz in den Korridor sandte. Seine linke Hand zuckte zum Gürtel, packte den winzigen Zylinder, den er dort befestigt hatte, schlug sein Ende gegen die angrenzende Wand und warf dann die Bombe zu Boden. Aber seine geringe Erfahrung mit der Schwerelosigkeit rächte sich jetzt. Er hatte sich auf eine Schwerkraft verlassen, die es hier nicht gab. Statt zu Boden zu fallen, schlug die Bombe wenige Meter von seiner Hand entfernt an die Decke und prallte dumpf mit einem Funkenregen zurück. Sie glitt den Korridor hinab, auf fließende Kugeln von Kohlenwasserstoff zu, und plötzlich wich das Glühen der Funken einem grellen Strahl von Thermit, der in den Augen schmerzte.

Floyd stöhnte bei dem Anblick auf und erwartete, daß die Angreifer sich vergeblich auf das strahlende Ding stürzen würden.

Aber obwohl sie alle in Reichweite der Wände waren, wich keiner von seinem Kurs ab. Hart versuchte weder zu fliehen noch zu kämpfen. Zufrieden beobachtete er die dahingleitende Bombe und erwartete in den nächsten Sekunden, von einem Flammenmeer umgeben zu sein, das die mächtigste westliche Torpedostation vernichten würde. Im Gegensatz zu Floyd betrachtete er die Geschehnisse gelassen, sogar als die Männer ihn packten und ihm seine Geräte aus den Taschen rissen. Einer klappte die Gesichtsplatte seines Helmes auf.

Auch dagegen wehrte er sich nicht. Er blickte nur triumphierend der Bombe nach, die sich auf den nächsten Klumpen von Brennstoff zubewegte.

Floyd sah den Blitz, als die Bombe den Brennstoff entzündete, und schloß die Augen.

Mayhew ließ sich vier oder fünf Sekunden Zeit, bevor er sprach. Er glaubte jetzt, daß der junge Mann die Spannung nicht länger ertragen konnte.

„Nun?“ sagte er schließlich ruhig. „Warum gebrauchen Sie nicht Ihre Augen? Und den Versand dahinter?“

Floyd war viel zu verwirrt, um in der letzten Bemerkung eine Beleidigung zu sehen. Vorsichtig befolgte er Mayhews Rat und öffnete die Augen. Er konnte kaum glauben, was er auf dem Bildschirm sah.

Die Gruppe der fünf Männer hatte sich nicht verändert, nur der Gesichtsausdruck des Gefangenen hatte sich gewandelt.

Alle blickten den Korridor hinab zu der Stelle, wo die Bombe noch immer brannte. Langs Mannschaft wirkte amüsiert, während Harts Augen in ungläubigem Stauben geweitet waren.

Und als Floyd sah, was Hart sah, teilte er dessen Überraschung.

Die Bombe war inzwischen dicht an mehreren schwebenden Kugeln vorbeigestrichen. Jede hatte Feuer gefangen, wie Floyd gesehen hatte — aber nur für einen Augenblick. Jetzt war jede von einer Schicht umgeben, einer fast durchsichtigen grauen Substanz, die wie eine Mischung von Rauch und Petroleumdampf aussah. Die Schicht konnte nicht dicker als einen halben Zoll sein, da Floyd sich an die Originalgröße der Kugeln erinnerte.

Keine der Kugeln brannte, jede hatte ihr Feuer erstickt, und langsam erkannte der junge Beobachter, wie und warum, als die Bombe gegen die letzte Brennstoffkugel schlug, die einen Fuß im Durchmesser maß.

Wie die anderen flammte sie auf und verlosch sofort wieder.

Aber diesmal war die Schicht, die sich um die Kugel bildete, heller und schien sekundenlang zu wachsen. Dann erfolgte eine kleine funkensprühende Explosion, Fragmente von brennendem Thermit brachen aus der Kugeloberfläche und flogen in verschiedene Richtungen, bevor sie ausgingen. Und dann war alles ruhig — bis auf die Gesichter Floyds und Harts.

Der Saboteur schien völlig außer Fassung zu sein, und es sah nicht so aus, als würde sich sein Zustand in der nächsten Zeit ändern. Aber Floyd hatte sich inzwischen gefangen und machte sich bereits Vorwürfe wegen seiner grundlosen Ängste. Mayhew beobachtete das Gesicht seines Assistenten und kicherte.

„Jetzt haben Sie es wohl begriffen“, sagte er nach einer Weile.

„Ja, jetzt“, erwiderte Floyd. „Ich hätte schon früher darauf kommen sollen. Ich habe natürlich bemerkt, daß Sie genug Zigaretten angezündet haben und beobachtet, wie sich die Flammen benahmen. Aber unser Freund tappt offensichtlich noch im dunkeln.“ Er nickte dem Bildschirm zu.

Er hatte recht. Hart tappte völlig im dunkeln. Er gehörte zu einer Organisation, wo unliebsame Überraschungen weder unerwartet noch ungewöhnlich waren, aber er war noch nie in seinem Leben so verwirrt gewesen. Das Zeug sah wie Brennstoff aus. Es roch wie Brennstoff. Es hätte ganz einfach brennen müssen — aber es weigerte sich. Hart entspannte sich im Griff seiner Bewacher und suchte nach einem Angelpunkt, an dem er seine wirbelnden Gedanken aufhängen konnte. Ein Raumfahrer hätte die Situation begriffen, ohne lange nachzudenken.

Ein Student von durchschnittlicher Intelligenz hätte wahrscheinlich nach einigen Überlegungen die Ursache der Ereignisse erkannt. Aber Harts Ausbildung war die eines Spions gewesen, in einem Land, in dem man es als Zeitverschwendung betrachtete, sich eine Allgemeinbildung anzueignen.

Er besaß einfach nicht den Bildungshintergrund, um zu verstehen, was passiert war.

Das dachte zumindest Mayhew nach einer sorgfältigen Befragung des Gefangenen. Er erfuhr nicht viel von dessen Mission, obwohl es wenig Zweifel daran gab, was Hart hatte erreichen wollen. Die Anwesenheit eines fremden Agenten an Bord einer Torpedostation ließ eigentlich nur eine Interpretation zu.

Und da die Zerstörung einer solchen Station endlose Verwicklungen nach sich ziehen konnte, nahm Mayhew sofort Funkverbindung mit anderen Stationen auf, um sie vor ähnlichen Eindringlingen zu warnen — mit allen Stationen, egal, welcher Nationalität. Wenn Harts Vorgesetzte erfuhren, daß seine Mission erfolglos verlaufen war, so wurden sie wenigstens daran gehindert, so zu agieren, als sei seine Absicht gelungen. Und man vermied Zwischenfälle von unabsehbaren Folgen. Mayhews Job war, Kriege zu verhindern, nicht, Kriege zu gewinnen.

Hart hatte die Identität seiner Vorgesetzten nicht zugegeben, aber sein Akzent ließ kaum Zweifel an seiner Herkunft.

Natürlich blieb das Problem, was man mit Hart tun sollte.

Auf der Station gab es kein eigentliches Gefängnis, und es war unwahrscheinlich, daß die Regierung des Westens dem Einsatz einer Spezialrakete zustimmen würde, um den Mann wegzubringen.

Eine persönliche Bewachung war lästig, aber es war nicht ratsam, einen Mann, der das Training Harts besaß, auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

Schließlich schlug einer der Wachen vor, Hart in einem kleinen Lagerraum an der Außenseite der Station unterzubringen.

Die Tür des Lagerraums besaß kein Türschloß, aber man konnte sie auf- und zuschweißen. Auch gab es keinen Ventilator, aber ein Algentank sorgte für Frischluftzufuhr. Nach einiger Überlegung entschied Mayhew, daß dies die beste Lösung sei.

Hart wurde sorgfältig durchsucht, auch seine Kleidung wurde ihm sicherheitshalber abgenommen. Er bat lächelnd um seine Zigaretten und um sein Feuerzeug, aber Mayhew versorgte den Mann mit seinen eigenen Zigaretten und seinem Feuerzeug und behielt das Eigentum des Spions zurück, um es untersuchen zu lassen. Danach sagte Hart nichts mehr und wurde ohne weitere Zeremonien eingekerkert. Mayhew kicherte wieder einmal, als die Wachen mit dem Spion verschwanden.

„Hoffentlich hat er mit dem Feuerzeug mehr Spaß als ich“, sagte er. „Mein Junge hat es mir als Geschenk geschickt, und bei dem Zug des Ventilators hat es nie funktioniert. Vielleicht merkt unser Freund etwas, wenn er lange genug damit herumspielt.

Es ist ein wenig Brennstoff darin.“

„Ich war ein wenig überrascht, als Sie es ihm gaben“, sagte Floyd lachend. „Ich glaube, jetzt weiß ich, warum Sie immer Streichhölzer benutzen. Wahrscheinlich erspare ich mir sehr viel Mühe, weil ich nicht rauche. Aber ich denke, Sie müßten Kaliumnitrat in Ihre Zigaretten stopfen, damit sie auch brennen, wenn Sie nicht daran ziehen.“ Hart konnte dies natürlich nicht mehr hören, und so konnte er auch keinen Gewinn aus dieser Bemerkung ziehen.

Er hätte ihr auch nicht viel Beachtung geschenkt. Natürlich wußte er, daß die Wissenschaften der Physik und Chemie wichtig waren. Aber er dachte an sie nur in Verbindung mit großen Fabriken und Laboratorien. Der Gedanke, daß die Kenntnis dieser Wissenschaften von unmittelbarem Nutzen für einen Mann sein konnte, der weder Chemiker noch Physiker war, wäre ihm geradezu phantastisch erschienen. Wenn auch seine derzeitigen Fluchtpläne auf der Chemie basierten, so war ihm das nicht bewußt.

Die Zelle befriedigte ihn sehr. Es gab keine Gucklöcher, die auch als Schußlöcher dienen konnten, die Tür konnte nicht rasch geöffnet werden — und es gab auch keinen Ventilator.

Wenn Hart einmal in der Zelle war, so würde man ihm nicht mehr viel Beachtung schenken. Da der Raum ein Lagerdepot war, würde man sein Inneres auch nicht mittels Bildschirm beobachten, obwohl Hart sich sagte, daß er durchaus damit rechnen mußte, beobachtet zu werden. Aber er beschloß, diese Möglichkeit außer acht zu lassen, und ging an die Arbeit, als er hörte, wie seine Tür zugeschweißt wurde.

Sein erster Gedanke führte nicht weit. Er verbrachte eine halbe Stunde damit, Mayhews Feuerzeug zum Funktionieren zu bringen, ohne Erfolg. Jedesmal, wenn er daraufdrückte, sprühte ein Funkenregen auf, und nach jedem vierten oder fünften Ver such hörte er ein schwaches Klicken, und ein blauer Blitz zuckte empor. Aber er brachte keine Flamme zustande. Schließlich stülpte er den Deckel auf das Feuerzeug, und zum erstenmal unternahm er den Versuch, wirklich nachzudenken. Diese Situation begann die Grenzen seines Trainings zu überschreiten.

Die Tatsache, daß der Brennstoff durch seine Bombe nicht entzündet worden war, beschäftigte ihn vordringlich. Offensichtlich hatten die Bewohner des Westens den Brennstoff mit irgendeiner feuerabweisenden Chemikalie ausgestattet, wahrscheinlich als eine Vorsichtsmaßnahme eher gegen Unfälle als gegen Sabotage. Solch einen chemischen Stoff konnte man sicher leicht entfernen, aber er hatte keine Gelegenheit gehabt, herauszufinden, wie.

Aber warum brannte der Brennstoff in dem Feuerzeug nicht?

Je länger er darüber nachdachte, desto mehr kam er zu der Überzeugung, daß Mayhew ihm das Feuerzeug absichtlich überlassen hatte, als eine Geste der Verachtung. Eine solche Handlungsweise war nur zu verständlich. Und dieser Gedanke entzündete erneut den Haß, der ein so wesentlicher Teil seiner Persönlichkeit war. Er würde es diesem klugen Westler zeigen!

Irgendeinen Weg mußte es geben!

Mit Hilfe seiner Fingernägel nahm er das Feuerzeug in wenigen Minuten auseinander. Die Einzelteile waren ziemlich klein und wiesen keine besonderen Merkmale auf. Aber Hart examinierte jedes Teil sehr sorgfältig.

Der Brennstoff schien unbrauchbar zu sein. Außerdem verdampfte er jetzt ohnehin. Die Hülle bestand offenbar aus Magnalium und konnte als Hitzequelle dienen, wenn man sie nur anzünden könnte. Aber da das Ding als Zigarettenanzünder verwendet wurde, schien es ihm sinnlos, diesen Gedanken weiter zu verfolgen. Der Docht würde vielleicht brennen, wenn man ihn sorgfältig trocknete. Der Feuerstein und der Radmechanismus waren vielversprechend — zumindest ein Teil würde hart genug sein, Metall zu zerschneiden, und auch die Sprungfeder konnte nützlich sein.

Sonst gab es nicht viel in dem Lagerraum. Das Licht kam aus einer Gasröhre. Der Algentank hatte einen kleinen Motor und eine Pumpe, die die Luft durch die Flüssigkeit trieb. Als Hart sich im Lagerraum umblickte, entschied er jedoch, daß es unklug wäre, seine einzige Luftquelle zu demontieren.

Nach weiteren Überlegungen nahm er das kleine Rad des Feuerzeugs und begann, einen Kreis um das Türschloß zu ritzen.

Er hegte natürlich keine Hoffnung auf Flucht, und er dachte gar nicht daran, seinen Raumanzug wiederzubekommen. Er wollte nur aus der Zelle herauskommen und seine Mission vollenden. Und wenn er damit Erfolg hatte, so nützten ihm irgendwelche Waffen ohnehin nichts mehr.

Natürlich konnte sein Kerker beobachtet werden. Aber Mayhew war es schon längst müde geworden, dem Spion bei seinen Versuchen, das Feuerzeug zu entzünden, zuzusehen, und er hatte seine Aufmerksamkeit auf andere Dinge gelenkt. So kam es, daß Harts Aktivitäten eine Zeitlang unbeobachtet blieben.

Die Metalltür war dünn und nicht sehr hart. Und es gelang ihm ohne nennenswerte Schwierigkeiten — außer ein paar wunden Fingern —, ein Loch zu schneiden, das groß genug war, um ihm ein anderes Hindernis zu zeigen. Statt den Türrahmen zuzuschweißen, hatten seine Feinde einen Stahlbarren quer über die Türöffnung gelegt und seine Enden zu beiden Seiten des Rahmens festgeschweißt. Hart hörte auf, an dem Loch zu kratzen, sobald er die Breite des Barrens sah, und dachte über die neue Situation nach.

Er konnte natürlich ein Loch in die Tür schneiden, das groß genug war, um seinen Körper durchzulassen. Aber seine Finger schmerzten und waren bereits steif vom Gebrauch des winzigen Rades, und es war unvernünftig anzunehmen, man würde ihn lange genug allein lassen, damit er diesen Plan ausführen konnte. Wahrscheinlich brachte man ihm irgendwann einmal etwas zu essen.

Und es gab noch einen Grund, der zur Eile riet, obwohl er ihn vergaß, als er den Giftstoff in der Luft roch. Die Flüssigkeit, die aus dem Feuerzeug strömte, seit er es auseinandergenommen hatte, breitete sich ziemlich rasch aus, viel rascher als der Brennstoff der Raketen. Der Algentank entfernte nur Kohlendioxyd, und die Luft in der kleinen Zelle sättigte sich immer mehr mit Kohlenwasserstoff. Es war äußerst ungesund, diese Luft längere Zeit einzuatmen, wie Hart sehr wohl wußte. Und die Flucht aus der Zelle war der einzige Weg, das Einatmen der giftigen Luft zu vermeiden.

Wie konnte man eine Metalltür entfernen? Rasch? Mit brutaler Kraft? Davon besaß er nicht genug. Mit Chemikalien? Er hatte keine. Mit Hitze? Der Gedanke war entmutigend, wenn er an seine jüngsten Erfahrungen mit Hitzequellen dachte. Trotzdem — wenn flüssige Brennstoffe nicht brannten, vielleicht brannten andere. Da war der Docht des Feuerzeugs. Eine schwebende Wolke von Metallpartikeln rund um das Loch, das er in die Magnesiumtür geritzt hatte. Und der Radmechanismus des Feuerzeugs.

Er holte den Docht aus der Luft, wo er dahinglitt, und begann ihn auseinanderzudrehen. Ohne Brennstoff bestand kaum die Chance, daß er sich an den Funken des Zünders entzündete.

Dann wischte er soviel Metallstaub wie nur möglich zusammen und preßte ihn an den Docht. Er inspizierte die Ränder des Loches, das er in die Tür gebohrt hatte, und rauhte sie an einer Seite mit dem Rad noch mehr auf, so daß er noch mehr Metallstaub gewann. Er drückte ihn an seine Zündschnur, steckte diese zwischen die Tür und den Stahlbarren direkt außerhalb des Loches, so daß das Zündende in die Zelle ragte. Sorgfältig inspizierte er sein Werk, nickte zufrieden und fügte den Zünd mechanismus wieder zusammen.

Natürlich erwartete er nicht, daß der Stahlbarren schmolz oder sich auch nur erweichte, aber er hoffte, daß das dünne Metall der Tür sich entzündete.

Der funkensprühende Mechanismus war beinahe wieder zusammengesetzt, als Harts Aufmerksamkeit abrupt von seiner Arbeit abgelenkt wurde. Seit er das Loch gebohrt hatte, war in der Zelle ein schwacher Luftzug entstanden, den die Ventilatoren auf der anderen Seite des Korridors hervorriefen. Ein Luftzug, von der Natur eines Wirbels, der lose Gegenstände nahe an das Loch herantrug. Einer dieser Gegenstände war eine Kugel, zusammengesetzt aus der verbliebenen Flüssigkeit des Feuerzeugs, die bisher noch nicht verdampft war. Als Hart die schimmernde Kugel bemerkte, war sie kaum mehr einen Fuß von seiner Zündschnur entfernt und trieb langsam näher.

Für ihn bedeutete diese flüssige Kugel das Fehlschlagen seines Planes. Sie selbst würde nicht brennen, und sie würde auch verhindern, daß etwas anderes brannte. Wenn sie seine Zündschnur berührte und tränkte, würde er warten müssen, bis sie verdampfte. Und dazu hatte er keine Zeit. Fluchend ließ er den Zündmechanismus los und versuchte, die Kugel auf die andere Seite zu schieben. Das gelang ihm nur teilweise. Die Kugel spaltete sich in seiner Hand, teilte sich in viele kleine Tropfen, von denen sich einige gehorsam entfernten, einige verdampften und einige weiterhin auf die Zündschnur zuglitten. Keiner der Tropfen entfernte sich allzu weit. Bald hatte der sanfte Luftzug sie wieder unter Kontrolle, und sie trieben auf das Loch zu — und auf Harts Zündschnur.

Einen Augenblick beobachtete der Saboteur sie in schmerzhafter Unentschlossenheit, doch dann riß er sich zusammen.

Mit einem weiteren Fluch packte er den Zündmechanismus, vergewisserte sich, daß er funktionierte, und wandte sich dem Loch in der Tür zu. Es geschah in diesem Augenblick, daß Mayhew sich entschloß, wieder einen Blick auf seinen Gefangenen zu werfen.

Der Bildschirm war so eingestellt, daß Harts Körper das Loch in der Tür verdeckte. Und da der Spion ihm den Rücken zuwandte, konnte der Beobachter nicht feststellen, was Hart tat.

Aber Harts Haltung war so entschlossen, und ein so unübersehbarer Zug von Verbissenheit umgab ihn, daß Mayhew zum Mikrophon griff und befahl, man möge in der Zelle des Gefangenen nachsehen, gerade im selben Augenblick, als Hart das Rad der Zündung drehte.

Mayhew konnte nicht sehen, was der Mann getan hatte, aber die Folgen seiner Tat waren offensichtlich genug. Der Körper des Saboteurs wurde von der Tür zurückgeworfen, auf die Linse des Beobachtungsgeräts zu, wie eine Fetzenpuppe, der jemand einen Tritt versetzt hatte. Eine orangefarbene Flammenblüte umfloß ihn sekundenlang, und im selben Augenblick wurde der Bildschirm schwarz, als eine schwere Erschütterungswelle die Linse des Beobachtungsgeräts zerschmetterte.

Mayhew, der an Bewegungen im schwerelosen Raum gewöhnt war, war noch nie in seinem Leben so rasch gelaufen.

Floyd und andere Mannschaftsmitglieder versuchten, ihm zu folgen, aber sie konnten nicht mit ihm Schritt halten. Als sie Harts Zelle erreichten, sahen sie Mayhew reglos dastehen und auf die Tür starren.

Es war nicht nötig, den Stahlbarren zu entfernen. Das dünne Metall der Tür war zersplittert, eine Öffnung, die groß genug war, um einen Menschen hindurchzulassen, gähnte darin. Aber es war gewiß, daß Hart von dieser Fluchtmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht hatte. Sein Körper klebte an der gegenüberliegenden Zellenwand. Und der jetzt relativ starke Luftzug, den die äußeren Ventilatoren verursachten, bewegte ihn nicht.

Floyd ahnte, was den Körper dort festhielt. Aber er wollte lie ber nicht genauer hinsehen.

Mayhews Stimme durchbrach das lange Schweigen.

„Er hat es nicht herausgekriegt.“

„Aber wieso ist dann das Feuer ausgebrochen?“

„Nun — das einzige brennbare Material in dieser Zelle war die Flüssigkeit aus dem Feuerzeug. Um sich so zu entzünden, muß sie fast ganz verdampft sein und sich mit genau der richtigen Luftmenge vermischt haben, was in einem solchen Raum auch sehr gut möglich war. Ich eigentlich verstehe nur nicht, warum er alles hinausgelassen hat.“

„Er hat Teile des Feuerzeugs verwendet“, stellte Floyd fest.

„Der lose Brennstoff war möglicherweise nur ein Nebenprodukt seiner Aktivitäten. Er war sogar noch dümmer als ich. Ich brauchte lange genug, um zu erkennen, daß Feuer Luft zum Brennen braucht — und keine Konvektionsströmung entwickelt, die es mit Sauerstoff versorgt, wenn es keine Schwerkraft gibt.“

„Genauer gesagt, wenn es kein Gewicht gibt“, wandte Mayhew ein. „Wir sind immer noch im Schwerkraftfeld der Erde, aber im freien Fall. Konvektionsströme entstehen, weil das erhitzte Gas leichter pro Volumeneinheit ist als das andere und deshalb steigt. Ohne Gewicht und ohne oben oder unten sind solche Luftströme unmöglich.“

„Jedenfalls muß er geglaubt haben, wir wollten ihn mit unbrennbaren Flüssigkeiten zum Narren halten.“

„Die Menschen werden in einem beständigen Schwerkraftfeld geboren und wachsen darin auf“, sagte Mayhew langsam.

„Und sie betrachten all die Manifestationen dieses Schwerkraftfelds als selbstverständlich. Es ist sehr schwer, alle Konsequenzen vorherzusehen, die sich ergeben, wenn man auf die Schwerkraft verzichtet. Und ich bin hier schon seit Jahren, beinahe ohne Unterbrechung, und immer noch glaube ich, daß hier eine Schwerkraft existiert, wenn ich übermüdet bin oder gerade aufwache.“

„Sie hätten einen Raumfahrer schicken sollen. Der hätte den Auftrag vielleicht besser erledigt, als dieser Bursche.“

„Wie hätte er denn die Station betreten sollen? Ein Mann ist entweder ein Raumfahrer oder ein Spion — wenn er beides gewesen wäre, dann wäre er meiner Meinung nach zu alt für diesen Job gewesen. Beide Berufe verlangen jahrelanges, hartes Training, denn man muß sich nicht nur Wissen aneignen, sondern auch Gewohnheiten — zum Beispiel die Gewohnheit, ständig in der Nähe einer festen Wand oder eines anderen massiven Gegenstands zu bleiben.“

Mayhew kicherte, als er den letzten Satz sprach, und eine Lachsalve aus den Mündern der anderen Männer folgte. Floyd blickte sich verwirrt um und errötete.

Er hing hilflos mitten in der Luft, weit entfernt von jedem Gegenstand, an dem er hätte Halt finden können — oder hinter dem er sich hätte verstecken können. Doch dann brachte er es zuwege, in das Gelächter einzustimmen. Als es verstummt war, blickte er noch einmal in Harts Zelle und sagte: „Wenn das die schlimmste Gefahr ist, die mir meine Unerfahrenheit einbringt, dann darf ich mich nicht beklagen. Bruce, wenn Sie das nächstemal die Erde besuchen, möchte ich mitkommen. Ich muß Sie ganz einfach im Schwerkraftfeld sehen. Ich wette nämlich, Sie werden nicht auf eine Leiter warten, wenn wir aus der Rakete steigen. Wie Sie andeuteten, Gewohnheiten sind schwer abzulegen.“