"Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" - читать интересную книгу автора (Роулинг Джоан)Erbteil des fluches, hässlicher sünde blutige wunde, schmerzen, wer trüge sie? quälen, wer stillte sie? wehe weh! Einzig der erbe heilet des hauses eiternde wunde, einzig mit blut'gem schnitt. götter der finsternis rief mein lied. Sel'ge geister drunten in der tiefe, wenn ihr die beschwörungsrufe hörtet, bringt den kindern hilfe, bringt den sieg. Aischylos, Sterben ist nur ein Uebergang aus dieser Welt in die andere, als wenn Freunde über See gehen, welche dennoch in einander fortleben. Denn Diejenigen, die im Allgegenwärtigen lieben und leben, müssen nothwendig einander gegenwärtig seyn. In diesem göttlichen Spiegel sehen sie sich von Angesicht zu Angesicht, und ihr Umgang ist so wohl frey als rein. Und wenn sie auch durch den Tod getrennt werden, so haben sie doch den Trost, daß ihre Freundschaft und Gesellschaft ihnen, dem besten Gefühle nach, beständig gegenwärtig bleibt, weil diese unsterblich ist. William Penn, Das BestechungsgeschenkWenn Kreacher aus einem See voller Inferi entkommen konnte, dann würde er höchstens ein paar Stunden brauchen, um Mundungus zu fangen, davon war Harry überzeugt, und er streifte den ganzen Morgen in gespannter Erwartung im Haus herum. Doch Kreacher kam an diesem Morgen nicht zurück, und auch nicht am Nachmittag. Als die Dämmerung anbrach, war Harry entmutigt und besorgt, und ein Abendessen, das überwiegend aus schimmligem Brot bestand, an dem Hermine erfolglos diverse Verwandlungen ausprobiert hatte, änderte daran nichts. Kreacher kehrte am nächsten Tag nicht zurück, und auch nicht am Tag darauf. Draußen auf dem Platz vor Nummer zwölf waren jedoch zwei kapuzenvermummte Männer aufgetaucht, die bis in die Nacht hinein dort blieben und in Richtung des Hauses starrten, das sie nicht sehen konnten. »Todesser, ganz sicher«, sagte Ron, während er, Harry und Hermine sie von den Salonfenstern aus beobachteten. »Meint ihr, die wissen, dass wir hier drin sind?« »Ich glaube nicht«, sagte Hermine, obwohl sie verängstigt wirkte, »sonst hätten sie uns Snape auf den Hals gehetzt, oder?« »Meinst du, er war schon hier drin, und Moodys Fluch hat ihm die Zunge gefesselt?«, fragte Ron. »Ja«, sagte Hermine, »denn sonst hätte er denen sagen können, wie man reinkommt, oder? Aber die stehen hier wahrscheinlich Wache, um zu sehen, ob wir auftauchen. Sie wissen schließlich, dass das Haus Harry gehört.« »Woher -?«, begann Harry. »Zauberertestamente werden vom Ministerium geprüft, erinnerst du dich? Die dürften wissen, dass Sirius dir das Haus hinterlassen hat.« Die Anwesenheit der Todesser draußen drückte die düstere Stimmung in Nummer zwölf noch mehr. Seit Mr Weasleys Patronus hatten sie von niemandem außerhalb des Hauses am Grimmauldplatz auch nur ein Wort gehört und allmählich machte sich die Anspannung bemerkbar. Unruhig und gereizt hatte Ron die unangenehme Gewohnheit entwickelt, mit dem Deluminator in seiner Tasche herumzuspielen: Das brachte vor allem Hermine zur Weißglut, die sich die Zeit des Wartens auf Kreacher mit den »Hör endlich auf damit!«, schrie sie am dritten Abend von Kreachers Abwesenheit, als schon wieder sämtliches Licht im Salon verschwand. »'tschuldigung, 'tschuldigung!«, sagte Ron, klickte mit dem Deluminator und ließ die Lichter wieder angehen. »Ich merk gar nicht, dass ich das mache!« »Kannst du dich denn nicht mit irgendwas Nützlichem beschäftigen?« »Womit denn, soll ich etwa Kindergeschichten lesen?« »Dumbledore hat mir dieses Buch vererbt, Ron -« »- und mir hat er den Deluminator vererbt, vielleicht soll ich ihn ja benutzen!« Harry hatte das Gezanke satt und stahl sich aus dem Salon, ohne dass die beiden es bemerkten. Er schlug den Weg nach unten zur Küche ein, die er ständig aufsuchte, weil er sicher war, dass Kreacher höchstwahrscheinlich dort wiederauftauchen würde. Auf halbem Weg die Treppe zur Eingangshalle hinunter hörte er jedoch ein leises Klopfen an der Haustür, dann metallische Klickgeräusche und das Rasseln der Kette. Sämtliche Nerven in seinem Körper schienen sich zu spannen: Er zog seinen Zauberstab hervor, trat in die Schatten neben den abgeschlagenen Elfenköpfen und wartete. Die Tür ging auf: Er erhaschte einen flüchtigen Blick auf den laternenbeschienenen Platz draußen, und eine in einen Umhang gehüllte Gestalt schob sich in die Halle und schloss die Tür hinter sich. Der Eindringling trat einen Schritt vor und Moodys Stimme fragte: »Ich war es nicht, der dich getötet hat, Albus«, sagte eine leise Stimme. Der Bann brach: Die Staubgestalt zerbarst wieder, und es war unmöglich, den Neuankömmling durch die dichte graue Wolke, die sie hinterließ, zu erkennen. Harry zielte mit dem Zauberstab mitten hinein. »Keine Bewegung!« Er hatte das Porträt von Mrs Black vergessen: Als sein Ruf erschallte, flogen die Vorhänge, die sie verbargen, auseinander, und sie begann zu schreien: Ron und Hermine polterten hinter Harry die Stufen herab, und auch ihre Zauberstäbe waren auf den Unbekannten gerichtet, der jetzt mit erhobenen Armen unten in der Halle stand. »Nicht feuern, ich bin es, Remus!« »Oh, Gott sei Dank«, sagte Hermine matt und richtete ihren Zauberstab stattdessen auf Mrs Black; es knallte, die Vorhänge rauschten wieder zu, und Stille trat ein. Auch Ron ließ seinen Zauberstab sinken, aber Harry nicht. »Zeig dich!«, rief er zurück. Lupin trat vor ins Licht der Lampen, die Hände immer noch erhoben zum Zeichen, dass er sich ergeben hatte. »Ich bin Remus John Lupin, Werwolf, manchmal Moony genannt, einer der vier Urheber der Karte des Rumtreibers, verheiratet mit Nymphadora, meist Tonks genannt, und ich habe dir beigebracht, wie man einen Patronus hervorbringt, Harry, der bei dir die Gestalt eines Hirsches annimmt.« »Oh, schon gut«, sagte Harry und ließ seinen Zauberstab sinken, »aber ich musste mich vergewissern, oder?« »Als dein ehemaliger Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste stimme ich dir vollkommen zu, dass du dich vergewissern musstest. Ron und Hermine, ihr solltet eure Waffen nicht ganz so schnell senken.« Sie rannten die Treppe hinunter zu ihm. Er war in einen dicken schwarzen Reiseumhang gehüllt und wirkte erschöpft, aber erfreut, sie zu sehen. »Also kein Zeichen von Severus?«, fragte er. »Nein«, sagte Harry. »Was ist bei euch los? Sind alle okay?« »Ja«, sagte Lupin, »aber wir werden alle beobachtet. Draußen auf dem Platz sind ein paar Todesser -« »- das wissen wir -« »- ich musste haargenau auf die oberste Stufe vor der Haustür apparieren, um sicher zu sein, dass sie mich nicht sehen. Sie können nicht wissen, dass ihr hier drin seid, sonst hätten sie gewiss mehr Leute da draußen; sie überwachen alles, was irgendwie mit dir zusammenhängt, Harry. Lasst uns nach unten gehen, ich habe euch eine Menge zu berichten, und ich will wissen, was passiert ist, nachdem ihr den Fuchsbau verlassen habt.« Sie stiegen in die Küche hinunter, wo Hermine ihren Zauberstab auf den Kaminrost richtete. Augenblicklich flammte ein Feuer auf: Es verlieh den nackten Steinwänden etwas trügerisch Behagliches und sein Widerschein glitzerte auf dem langen Holztisch. Lupin zog einige Butterbiere unter seinem Reiseumhang hervor und sie setzten sich. »Ich wäre schon vor drei Tagen hier gewesen, aber ich musste den Todesser abschütteln, der mich beschattet hat«, sagte Lupin. »Und ihr seid nach der Hochzeit direkt hierhergekommen? « »Nein«, sagte Harry, »erst nachdem wir in einem Cafe in der Tottenham Court Road auf zwei Todesser gestoßen sind.« Lupin schüttete sich den größten Teil seines Butterbiers über die Brust. Sie erklärten, was geschehen war; als sie fertig waren, sah Lupin bestürzt aus. »Aber wie haben sie euch so schnell gefunden? Es ist unmöglich, jemandem nachzuspüren, der appariert, außer man hält sich an ihm fest, wenn er verschwindet!« »Und dass sie die Tottenham Court Road zu diesem Zeitpunkt nur entlangspaziert sind, kommt einem eher unwahrscheinlich vor, oder?«, sagte Harry. »Wir haben uns gefragt«, sagte Hermine zögernd, »ob Harry vielleicht immer noch die Spur auf sich hat.« »Unmöglich«, erwiderte Lupin. Ron blickte selbstgefällig drein und Harry fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen. »Abgesehen von allem andern wüssten die sicher, dass Harry hier ist, wenn er die Spur noch auf sich hätte, oder? Aber ich verstehe nicht, wie sie euch bis zur Tottenham Court Road verfolgen konnten, das ist beängstigend, wirklich beängstigend.« Er sah besorgt aus, doch was Harry anging, konnte diese Frage warten. »Sag uns, was passiert ist, nachdem wir weg sind, wir haben absolut nichts gehört, seit Rons Dad uns mitgeteilt hat, dass die Familie in Sicherheit ist.« »Nun, Kingsley hat uns gerettet«, sagte Lupin. »Dank seiner Warnung konnten die meisten Hochzeitsgäste disapparieren, ehe sie eintrafen.« »Waren es Todesser oder Ministeriumsleute?«, warf Hermine ein. »Sowohl als auch; aber da gibt es praktisch keinen Unterschied mehr«, sagte Lupin. »Es waren etwa ein Dutzend Leute, aber sie wussten nicht, dass du dort warst, Harry. Arthur hat ein Gerücht gehört, wonach sie Scrimgeour gefoltert haben, um deinen Aufenthaltsort aus ihm rauszukriegen, ehe sie ihn töteten; wenn das stimmt, dann hat er dich nicht verraten.« Harry sah Hermine und Ron an; in ihren Mienen spiegelte sich die Mischung aus Entsetzen und Dankbarkeit, die er empfand. Er hatte Scrimgeour nie besonders gemocht, aber wenn zutraf, was Lupin sagte, dann war die letzte Tat dieses Mannes der Versuch gewesen, Harry zu beschützen. »Die Todesser haben den Fuchsbau von oben bis unten durchsucht«, fuhr Lupin fort. »Sie haben den Ghul gefunden, wollten aber nicht zu nahe ran – und dann haben sie die von uns, die noch da waren, stundenlang verhört. Sie haben versucht Informationen über dich zu bekommen, Harry, aber natürlich wusste niemand außer den Ordensmitgliedern, dass du dort gewesen warst. Genau zu dem Zeitpunkt, als sie die Hochzeit sprengten, drangen andere Todesser gewaltsam in jedes Haus im Land ein, das mit dem Orden zu tun hat. Keine Toten«, fügte er rasch hinzu, um der Frage zuvorzukommen, »aber sie sind rücksichtslos vorgegangen. Das Haus von Dädalus Diggel haben sie niedergebrannt, aber er war nicht da, wie ihr wisst, und bei Tonks' Familie haben sie den Cruciatus-Fluch eingesetzt. Auch dort wollten sie herausfinden, wohin du verschwunden bist, nachdem du bei ihnen warst. Es geht ihnen allen gut – sie sind natürlich arg mitgenommen, aber sonst okay.« »Die Todesser sind durch all die Schutzzauber durchgekommen?«, fragte Harry und erinnerte sich daran, wie wirkungsvoll sie in der Nacht gewesen waren, als er in den Garten von Tonks' Eltern gestürzt war. »Eins muss dir klar werden, Harry, die Todesser haben jetzt die ganze Macht des Ministeriums auf ihrer Seite«, sagte Lupin. »Sie sind ermächtigt, brutale Zauber auszuführen, ohne dass sie Gefahr laufen, sich ausweisen zu müssen oder verhaftet zu werden. Es ist ihnen gelungen, jeden Schutzzauber zu durchdringen, den wir gegen sie errichtet hatten, und sobald sie drin waren, bekannten sie ganz offen, warum sie gekommen waren.« »Und lassen sie sich vielleicht zu einer Ausrede herbei, warum sie Leute foltern, um zu erfahren, wo Harry steckt?«, fragte Hermine und ihre Stimme klang gereizt. »Nun«, sagte Lupin. Er zögerte, dann zog er eine zusammengefaltete Ausgabe des »Hier«, sagte er und schob sie über den Tisch zu Harry, »früher oder später erfährst du es sowieso. Das ist ihr Vorwand, weshalb sie hinter dir her sind.« Harry strich die Zeitung glatt. Ein riesiges Foto von seinem eigenen Gesicht nahm die gesamte Titelseite ein. Er las die Schlagzeile darüber: GESUCHT ZUR VERNEHMUNG ÜBER DEN TOD VON ALBUS DUMBLEDORE Ron und Hermine schrien empört auf, doch Harry sagte nichts. Er schob die Zeitung von sich weg; er wollte nicht weiterlesen: Er wusste, was da stand. Niemand außer denen, die oben auf dem Turm gewesen waren, als Dumbledore starb, wusste, wer ihn wirklich getötet hatte, und wie Rita Kimmkorn der Zaubererwelt bereits mitgeteilt hatte, hatte man Harry vom Tatort wegrennen sehen, Sekunden nachdem Dumbledore gefallen war. »Es tut mir leid, Harry«, sagte Lupin. »Die Todesser haben also auch den Lupin nickte. »Aber die Leute begreifen doch sicher, was da gespielt wird?« »Die Machtübernahme ist reibungslos und weitgehend ruhig verlaufen«, sagte Lupin. »Die offizielle Version von Scrimgeours Ermordung ist, dass er zurückgetreten sei; er wurde durch Pius Thicknesse ersetzt, der unter dem Imperius-Fluch steht.« »Warum hat Voldemort sich nicht selbst zum Zaubereiminister ernannt?«, fragte Ron. Lupin lachte. »Das braucht er nicht, Ron. Tatsächlich Natürlich haben sich viele Leute zusammengereimt, was passiert ist: In den letzten paar Tagen fand eine so dramatische Veränderung in der Politik des Ministeriums statt, und viele munkeln, dass Voldemort dahinterstecken müsse. Doch das ist es eben: Sie munkeln. Sie wagen es nicht, einander zu vertrauen, sie wissen nicht, wem sie trauen können; sie haben Angst, den Mund aufzumachen, falls ihre düsteren Ahnungen stimmen und ihre eigenen Familien ins Visier genommen werden. Ja, Voldemort spielt ein sehr cleveres Spiel. Wenn er sich selbst ernannt hätte, dann hätte das vielleicht eine offene Rebellion ausgelöst. Dass er sich verborgen hält, hat Verwirrung, Unsicherheit und Angst gestiftet.« »Und zu dieser dramatischen Veränderung in der Ministeriumspolitik«, sagte Harry, »gehört wohl auch, dass man die Zaubererwelt vor mir statt vor Voldemort warnt?« »Das ist sicher ein Teil davon«, sagte Lupin, »und es ist ein Geniestreich. Nun, da Dumbledore tot ist, wärst du – der Junge, der überlebt hat – mit Sicherheit die Symbolfigur und der Mittelpunkt für den gesamten Widerstand gegen Voldemort. Aber indem er unterstellte, dass du in den Tod des alten Helden verwickelt warst, hat Voldemort nicht nur ein Kopfgeld auf dich erreicht, sondern auch bei vielen Zweifel und Furcht gesät, die dich eigentlich verteidigt hätten. In der Zwischenzeit hat das Ministerium angefangen, gegen Muggelstämmige vorzugehen.« Lupin deutete auf den »Schau auf die zweite Seite.« Hermine blätterte mit ungefähr dem gleichen angewiderten Gesichtsausdruck um, den sie bei den »Das lassen die Leute nicht geschehen«, sagte Ron. »Es »Aber wie sollen sie denn Magie gt;gestohlenlt; haben?«, fragte Ron. »Das ist doch gestört, wenn man Magie stehlen könnte, gäbe es doch keine Squibs, oder?« »Ich weiß«, sagte Lupin. »Und trotzdem, wenn du nicht beweisen kannst, dass du mindestens einen Zauberer in deiner näheren Verwandtschaft hast, giltst du jetzt als jemand, der seine magische Kraft illegal erlangt hat und dafür bestraft werden muss.« Ron warf Hermine einen kurzen Blick zu und sagte: »Was ist, wenn Reinblüter und Halbblüter schwören, dass ein Muggelstämmiger zu ihrer Familie gehört? Ich sag allen, dass Hermine meine Cousine ist -« Hermine legte ihre Hand auf seine und drückte sie. »Danke, Ron, aber ich könnte nicht zulassen, dass du -« »Du wirst keine Wahl haben«, sagte Ron grimmig, während er ihren Händedruck erwiderte. »Ich bring dir meinen Familienstammbaum bei, dann kannst du Fragen dazu beantworten.« Hermine lachte halbherzig. »Ron, da wir mit Harry Potter auf der Flucht sind, der meistgesuchten Person im Land, glaube ich nicht, dass das von Bedeutung ist. Wenn ich wieder zur Schule gehen würde, wäre es was anderes. Was plant Voldemort für Hogwarts?«, fragte sie Lupin. »Der Schulbesuch ist jetzt obligatorisch für alle jungen Hexen und Zauberer«, antwortete er. »Das wurde gestern verkündet. Es ist neu, denn eine Schulpflicht gab es noch nie. Natürlich wurden fast alle Hexen und Zauberer in Britannien auf Hogwarts ausgebildet, aber die Eltern hatten das Recht, sie zu Hause zu unterrichten oder sie ins Ausland zu schicken, wenn ihnen das lieber war. So wird Voldemort die ganze Zaubererbevölkerung von einem sehr jungen Alter an unter seiner Kontrolle haben. Und es ist auch eine weitere Methode, Muggelstämmige auszusieben, weil Schüler einen Blutstatus erhalten müssen – das heißt, sie müssen vor dem Ministerium nachgewiesen haben, dass sie von Zauberern abstammen –, ehe sie die Schule besuchen dürfen.« Harry war angeekelt und wütend: Genau in diesem Moment brüteten vermutlich begeisterte Elfjährige über Stapeln von neu gekauften Zauberspruchbüchern, nicht ahnend, dass sie Hogwarts nie zu Gesicht bekommen und vielleicht auch ihre Familien nie wiedersehen würden. »Es ist ... es ist ...«, murmelte er, verzweifelt auf der Suche nach Worten, die seinen schrecklichen Gedanken gerecht wurden, aber Lupin sagte leise: »Ich weiß.« Lupin zögerte. »Ich würde verstehen, wenn du es nicht bestätigen kannst, Harry, aber der Orden hat den Eindruck, dass Dumbledore dir eine Mission aufgetragen hat.« »Das hat er«, antwortete Harry, »und Ron und Hermine Wissen darüber Bescheid, und sie kommen mit mir. « »Kannst du mir anvertrauen, worum es bei dieser Mission geht?« Harry sah in das früh gealterte Gesicht, das von dichtem, aber angegrautem Haar umrahmt war, und wünschte, er könnte eine andere Antwort geben. »Das kann ich nicht, Remus, tut mir leid. Wenn Dumbledore es dir nicht gesagt hat, kann ich es wohl auch nicht tun.« »Ich dachte mir, dass du das sagen würdest«, erwiderte Lupin mit enttäuschter Miene. »Aber ich könnte dir dennoch in gewisser Weise nützlich sein. Du weißt, was ich bin und was ich tun kann. Ich könnte mit euch kommen und für Begleitschutz sorgen. Ihr müsstet mir nicht sagen, was genau ihr vorhabt.« Harry zögerte. Es war ein sehr verlockendes Angebot, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, wie sie ihre Mission vor Lupin geheim halten würden, wenn er die ganze Zeit bei ihnen wäre. Hermine jedoch schien verwundert. »Und was ist mit Tonks?«, fragte sie. »Was soll mit ihr sein?«, erwiderte Lupin. »Nun ja«, sagte Hermine stirnrunzelnd, »ihr seid doch verheiratet! Wie ist das für sie, wenn du mit uns fortgehst?« »Tonks wird vollkommen sicher sein«, sagte Lupin. »Sie wird zu Hause bei ihren Eltern bleiben.« Es lag etwas Fremdes in Lupins Tön; er klang beinahe kalt. Auch die Vorstellung, dass Tonks im Haus ihrer Eltern versteckt bleiben sollte, hatte etwas Merkwürdiges; Tonks war immerhin ein Mitglied des Ordens, und soweit Harry wusste, war sie am liebsten mitten im Geschehen. »Remus«, sagte Hermine zaghaft, »ist alles in Ordnung ... du weißt schon ... zwischen dir und -« »Es ist alles bestens, danke«, sagte Lupin nachdrücklich. Hermine lief rosa an. Wieder entstand eine Pause, eine peinliche und verlegene, dann sagte Lupin mit einer Miene, als ob er sich zwingen müsste, etwas Unangenehmes zuzugeben: »Tonks bekommt ein Baby. « »Oh, wie wunderbar!«, kreischte Hermine. »Toll!«, sagte Ron begeistert. »Gratuliere«, sagte Harry. Lupin setzte ein gekünsteltes Lächeln auf, das eher eine Grimasse war, und sagte dann: »Also ... nehmt ihr mein Angebot an? Werden aus dreien vier? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Dumbledore dagegen gewesen wäre, er hat mich schließlich zu eurem Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste ernannt. Und ich muss euch sagen, dass ich glaube, dass wir es hier mit Magie zu tun haben, der viele von uns noch nie begegnet sind und die wir uns nicht einmal vorstellen können.« Ron und Hermine sahen Harry an. »Nur – nur um es klarzustellen«, sagte er. »Du willst Tonks im Haus ihrer Eltern zurücklassen und mit uns weggehen?« »Sie wird dort vollkommen sicher sein, sie kümmern sich um sie«, sagte Lupin. Er sprach mit einer Entschiedenheit, die schon an Gleichgültigkeit grenzte. »Harry, ich bin sicher, dass James gewollt hätte, dass ich bei dir bleibe.« »Also«, sagte Harry langsam, »ich nicht. Ich bin sogar ziemlich sicher, dass mein Vater hätte wissen wollen, warum du nicht bei deinem eigenen Kind bleibst.« Alle Farbe schwand aus Lupins Gesicht. Die Temperatur in der Küche schien um zehn Grad gesunken zu sein. Ron starrte umher, als hätte ihm jemand befohlen, sich den Raum genau einzuprägen, während Hermines Augen zwischen Harry und Lupin hin- und herhuschten. »Du verstehst das nicht«, sagte Lupin endlich. »Dann erklär's«, sagte Harry. Lupin schluckte. »Ich – es war ein großer Fehler von mir, Tonks zu heiraten. Ich habe es wider bessere Einsicht getan und bereue es seither zutiefst.« »Ich verstehe«, sagte Harry, »du lässt sie und das Kind jetzt also einfach im Stich und haust mit uns ab?« Lupin sprang auf: Sein Stuhl kippte nach hinten um, und er starrte sie so grimmig an, dass Harry zum allerersten Mal die Spur des Wolfes auf seinem menschlichen Gesicht wahrnahm. »Begreift ihr nicht, was ich meiner Frau und meinem ungeborenen Kind angetan habe? Ich hätte Tonks nie heiraten sollen, ich habe sie zu einer Ausgestoßenen gemacht!« Lupin trat den Stuhl beiseite, den er umgeworfen hatte. »Ihr habt mich immer nur unter den Ordensleuten erlebt, oder unter Dumbledores Schutz in Hogwarts. Ihr wisst nicht, wie die meisten in der Zaubererwelt Kreaturen wie mich betrachten! Wenn sie von meinem Gebrechen erfahren, können sie kaum mehr mit mir reden! Seht ihr nicht, was ich getan habe? Sogar ihre eigene Familie ist von unserer Heirat angewidert, welche Eltern wollen schon, dass ihre einzige Tochter sich einen Werwolf zum Mann nimmt? Und das Kind – das Kind -« Lupin raufte sich mit beiden Händen die Haare; er wirkte völlig durcheinander. »Meine Sippe pflanzt sich normalerweise nicht fort! Mein Kind wird wie ich sein, davon bin ich überzeugt – wie kann ich mir je verzeihen, dass ich es wissentlich riskiert habe, mein eigenes Leiden an ein unschuldiges Kind weiterzugeben? Und falls es, durch irgendein Wunder, nicht so ist wie ich, dann wird es besser dran sein, und zwar hundert Mal besser, ohne einen Vater, für den es sich immer schämen muss!« »Remus!«, flüsterte Hermine, mit Tränen in den Augen. »Sag das nicht – wie könnte sich irgendein Kind denn für dich schämen?« »Ach, ich weiß nicht, Hermine«, sagte Harry. »Ich würde mich ziemlich für ihn schämen.« Harry wusste nicht, woher sein Zorn kam, doch er hatte auch ihn von seinem Platz hochgerissen. Lupin machte den Eindruck, als ob Harry ihn geschlagen hätte. »Wenn das neue Regime Muggelstämmige für böse hält«, sagte Harry, »was werden die dann erst mit einem Halb-Werwolf machen, dessen Vater im Orden ist? Mein Vater ist bei dem Versuch gestorben, meine Mutter und mich zu schützen, und du meinst, er würde dir sagen, dass du dein Kind verlassen und mit uns zu einem Abenteuer aufbrechen sollst?« »Wie – wie kannst du es wagen?«, sagte Lupin. »Hier geht es nicht um ein Verlangen nach – nach Gefahr oder Ruhm für mich – wie kannst du es wagen, etwas Derartiges zu -« »Ich glaube, du kommst dir ein bisschen wie ein Draufgänger vor«, sagte Harry. »Du träumst davon, in Sirius' Fußstapfen zu treten -« »Harry, nicht!«, bat ihn Hermine, doch er starrte weiter zornig in Lupins aschgraues Gesicht. »Das hätte ich nie gedacht«, sagte Harry. »Der Mann, der mir beigebracht hat, wie man gegen Dementoren kämpft -ein Feigling.« Lupin zückte seinen Zauberstab so schnell, dass Harry seinen eigenen noch nicht einmal berührt hatte; es gab einen lauten Knall, und er spürte, wie er nach hinten flog, als ob er einen Fausthieb bekommen hätte; als er gegen die Küchenwand schlug und zu Boden rutschte, sah er den letzten Zipfel von Lupins Umhang gerade noch durch die Tür verschwinden. »Remus, Remus, komm zurück!«, schrie Hermine, aber Lupin antwortete nicht. Einen Moment später hörten sie die Haustür zuschlagen. »Harry!«, jammerte Hermine. »Wie konntest du nur?« »Das war leicht«, sagte Harry. Er stand auf; er spürte, wie dort, wo er mit dem Kopf gegen die Wand geknallt war, eine Beule anschwoll. Er zitterte immer noch vor Wut. »Schau mich nicht so an!«, fuhr er Hermine an. »Lass sie in Ruhe!«, fauchte Ron. »Nein – nein – wir dürfen nicht streiten!«, sagte Hermine und warf sich zwischen die beiden. »Du hättest das nicht zu Lupin sagen sollen«, meinte Ron zu Harry. »Er hat es nicht anders verdient«, erwiderte Harry. In seinem Kopf jagten Bruchstücke einzelner Bilder hintereinanderher: Sirius, wie er durch den Schleier fiel; Dumbledore in der Schwebe, mit gebrochenen Gliedmaßen, mitten in der Luft; ein grüner Lichtblitz und die Stimme seiner Mutter, die um Gnade bettelte ... »Eltern«, sagte Harry, »sollten ihre Kinder nicht verlassen, außer –außer wenn sie es müssen.« »Harry -«, sagte Hermine und streckte tröstend die Hand aus, doch er tat es achselzuckend ab und ging davon, den Blick auf das Feuer gerichtet, das Hermine herbeigezaubert hatte. Er hatte einmal von diesem Kamin aus mit Lupin gesprochen, hatte sich wegen James vergewissern wollen, und Lupin hatte ihn getröstet. Jetzt schien Lupins gequältes weißes Gesicht vor ihm in der Luft zu schweben. Die Reue packte ihn so jäh, dass ihm übel wurde. Weder Ron noch Hermine sagten etwas, doch Harry war sicher, dass sie sich hinter seinem Rücken ansahen und wortlos austauschten. Er drehte sich um und sah gerade noch, wie sie sich rasch voneinander abwandten. »Ich weiß, ich hätte ihn nicht einen Feigling nennen sollen.« »Nein, hättest du nicht«, sagte Ron sofort. »Aber er verhält sich wie einer.« »Trotzdem ...«, sagte Hermine. »Ich weiß«, sagte Harry. »Aber wenn er jetzt zu Tonks zurückkehrt, war es die Sache wert, oder?« Er konnte es nicht verhindern, dass seine Stimme flehentlich klang. Hermine sah ihn mitfühlend an, Ron unsicher. Harry blickte hinunter auf seine Füße und dachte an seinen Vater. Hätte James Harry bei dem unterstützt, was er zu Lupin gesagt hatte, oder hätte es ihn wütend gemacht, wie sein Sohn seinen alten Freund behandelt hatte? Es war, als würden der Schock über den jüngsten Vorfall und die unausgesprochenen Vorwürfe von Ron und Hermine in der stillen Küche nachhallen. Der Aufmerksam geworden, betrachtete Harry das Foto sorgfältiger. Dumbledores Vater Percival war ein gut aussehender Mann, dessen Augen selbst auf diesem verblassten alten Foto zu zwinkern schienen. Das Baby, Ariana, war kaum größer als ein Laib Brot und genauso unauffällig. Die Mutter, Kendra, hatte rabenschwarzes Haar, das oben auf dem Kopf zu einem Knoten zusammengebunden war. Ihre Gesichtszüge waren wie gemeißelt. Trotz des hochgeschlossenen Seidenkleides, das sie trug, fühlte Harry sich an Indianer erinnert, als er ihre dunklen Augen, die hohen Wangenknochen und die gerade Nase betrachtete. Albus und Aberforth trugen zusammenpassende Jacken mit Spitzenkragen und hatten den gleichen schulterlangen Haarschnitt. Albus wirkte einige Jahre älter, doch ansonsten sahen die beiden Jungen einander sehr ähnlich, denn das Foto zeigte sie, noch ehe Albus' Nase gebrochen worden war und ehe er anfing, eine Brille zu tragen. Die Familie wirkte völlig glücklich und normal, wie sie da heiter aus der Zeitung herauslächelte. Der Arm der kleinen Ariana winkte undeutlich aus ihrem Wickeltuch. Harry hob den Blick und las die Schlagzeile über dem Bild : EXKLUSIVER AUSZUG AUS DER DEMNÄCHST ERSCHEINENDEN BIOGRAPHIE VON ALBUS DUMBLEDORE von Rita Kimmkorn Mit der Überlegung, dass seine Stimmung dadurch wohl kaum noch schlechter werden konnte, begann Harry zu lesen: Stolz und hochmütig, wie sie war, konnte Kendra Dumbledore es nach der Aufsehen erregenden Verhaftung ihres Gatten Percival und seiner Inhaftierung in Askaban nicht ertragen, in Mould-on-the-Wold zu bleiben. Sie beschloss daher, die Familie zu entwurzeln und nach Godric's Hollow umzuziehen, in jenes Dorf, das später berühmt werden sollte als der Ort, wo Harry Potter auf merkwürdige Weise Du-weißt-schon-wem entrinnen konnte. Wie Mould-on-the-Wold war auch Godric's Hollow die Heimat etlicher Zaubererfamilien, doch da Kendra keine von ihnen kannte, blieb ihr die Neugier über das Verbrechen ihres Mannes wohl erspart, der sie in ihrem alten Dorf ausgesetzt gewesen war. Indem sie die freundlichen Annäherungsversuche ihrer neuen Zauberernachbarn immer wieder abwies, sorgte sie dafür, dass ihre Familie bald völlig in Ruhe gelassen wurde. »Hat mir die Tür vor der Nase zugeknallt, als ich mit einer Ladung selbst gebackenem Kesselkuchen bei ihr vorbeischauen wollte, um sie zu begrüßen«, sagt Bathilda Bagshot. »In ihrem ersten Jahr hier habe ich praktisch nur die beiden Jungs gesehen. Hätte gar nicht gewusst, dass da auch noch eine Tochter war, wenn ich in dem Winter nach ihrem Einzug nicht im Mondschein Plangentinien gepflückt und dabei gesehen hätte, wie Kendra Ariana in den Garten hinter dem Haus hinausführte. Spazierte mit ihr einmal um den Rasen herum und hielt sie dabei immer schön fest, dann brachte sie sie wieder ins Haus zurück. Wusste nicht, was ich davon halten sollte. « Anscheinend dachte Kendra, dass der Umzug nach Godric's Hollow die perfekte Gelegenheit war, Ariana ein für alle Mal zu verstecken, etwas, das sie vermutlich seit Jahren geplant hatte. Der Zeitpunkt war von Bedeutung. Ariana war kaum sieben Jahre alt, als sie von der Bildfläche verschwand, und spätestens bis zum Alter von sieben offenbaren sich nach Auffassung der meisten Experten magische Kräfte, falls sie vorhanden sind. Keiner der heute noch Lebenden erinnert sich daran, dass Ariana je auch nur das geringste Zeichen magischer Fähigkeiten erkennen ließ. Es scheint daher offensichtlich, dass Kendra die Entscheidung traf, eher die Existenz ihrer Tochter zu verheimlichen, als die Schmach zu erdulden, zugeben zu müssen, dass sie eine Squib geboren hatte. Indem sie von den Freunden und Nachbarn wegzog, die Ariana kannten, wurde es natürlich um einiges leichter, sie einzusperren. Die kleine Zahl von Leuten, die fortan um Arianas Existenz wussten, würden verlässlich schweigen, darunter auch Arianas zwei Brüder, die unangenehme Fragen mit der Antwort abwehrten, die ihre Mutter ihnen beigebracht hatte: »Meine Schwester ist zu zart für die Schule.« Nächste Woche: Albus Dumbledore in Hogwarts – Die Auszeichnungen und die Anmaßung Harry hatte sich geirrt: Bei dem, was er gerade gelesen hatte, war seine Stimmung tatsächlich noch schlechter geworden. Er sah noch einmal auf das Foto der scheinbar glücklichen Familie. Entsprach das der Wahrheit? Wie konnte er es herausfinden? Er wollte nach Godric's Hollow, selbst wenn Bathildas Zustand es nicht zuließ, dass sie mit ihm redete; er wollte den Ort besuchen, wo er und Dumbledore geliebte Menschen verloren hatten. Er war gerade dabei, die Zeitung sinken zu lassen, um Ron und Hermine nach ihrer Meinung zu fragen, als ein ohrenbetäubender Zum ersten Mal seit drei Tagen hatte Harry Kreacher völlig vergessen. Sein nächster Gedanke war, Lupin sei wieder hereingeplatzt, und für den Bruchteil einer Sekunde wusste er mit dem Durcheinander zappelnder Arme und Beine, das gleich neben seinem Stuhl aus dem Nichts aufgetaucht war, gar nichts anzufangen. Er sprang hastig auf, als Kreacher sich aus dem Gewirr löste und mit einer tiefen Verbeugung vor Harry krächzte: »Kreacher ist mit dem Dieb Mundungus Fletcher zurückgekehrt, Herr.« Mundungus rappelte sich auf und zog seinen Zauberstab hervor; doch Hermine war zu schnell für ihn. Mundungus' Zauberstab schwirrte durch die Luft und Hermine fing ihn auf. Mit wildem Blick hechtete Mundungus zur Treppe: Ron stürzte sich auf ihn wie ein Rugbyspieler und Mundungus schlug mit einem dumpfen Knirschen auf den Steinboden. »Was'n los?«, brüllte er und bäumte sich auf, um sich aus Rons Griff zu befreien. »Was hab ich getan? Mir 'nen verdammten Hauselfen auf den Hals zu hetzen, was soll das denn, was hab ich getan, lass mich los, lass mich los, oder -« »Sieht nicht so aus, als könntest du hier große Töne spucken«, sagte Harry. Er warf die Zeitung beiseite, durchquerte mit wenigen Schritten die Küche und sank neben Mundungus auf die Knie, der nun aufhörte sich zu wehren und verängstigt dreinblickte. Ron erhob sich keuchend und sah zu, wie Harry seinen Zauberstab bedächtig auf Mundungus' Nase richtete. Mundungus stank nach altem Schweiß und Tabakrauch, sein Haar war verfilzt und sein Umhang fleckig. »Kreacher entschuldigt sich dafür, dass er den Dieb erst so spät gebracht hat, Herr«, krächzte der Elf. »Fletcher weiß, wie man es vermeidet, gefangen zu werden, hat viele Schlupfwinkel und Komplizen. Dennoch hat Kreacher den Dieb am Ende in die Enge getrieben. « »Das hast du wirklich gut gemacht, Kreacher«, sagte Harry und der Elf verneigte sich tief. »Also, wir haben ein paar Fragen an dich«, sagte Harry zu Mundungus, der sofort schrie: »Ich hab Panik gekriegt, okay? Ich wollte sowieso nie mitkommen, nichts für ungut, Mann, aber ich hab mich nie freiwillig gemeldet, um für dich zu sterben, un' das war der verdammte Du-weißt-schon-wer, der da auf mich zugeflogen kam, da hätte jeder die Fliege gemacht, ich hab ja die ganze Zeit gesagt, dass ich's nicht machen will -« »Zu deiner Information, keiner von uns anderen ist disappariert«, sagte Hermine. »Tja, dann seid ihr eben ein Haufen verdammte Helden, nicht wahr, aber ich hab nie behauptet, dass ich bereit wäre, mich umbringen zu lassen -« »Es interessiert uns nicht, wieso du Mad-Eye im Stich gelassen hast«, sagte Harry und hielt seinen Zauberstab ein wenig näher an Mundungus' triefende, blutunterlaufene Augen. »Wir wussten schon, dass du ein unzuverlässiges Stück Dreck bist.« »Und warum zur Hölle werd ich dann von Hauselfen gejagt? Oder geht's mal wieder um diese Kelche? Ich hab keine mehr übrig, sonst könntest du sie haben -« »Es geht auch nicht um die Kelche, aber du kommst der Sache schon näher«, sagte Harry. »Halt den Mund und hör zu.« Es war ein wunderbares Gefühl, etwas zu tun zu haben, von jemandem einen kleinen Teil der Wahrheit verlangen zu können. Harrys Zauberstab war nun so nahe an Mundungus' Nasenrücken, dass Mundungus nach innen schielte, um ihn im Blick behalten zu können. »Als du alles Wertvolle aus diesem Haus eingesackt hast«, begann Harry, aber Mundungus unterbrach ihn. »Sirius war dieser ganze Plunder nie wichtig -« Trappelnde Schritte waren zu hören, glänzendes Kupfer blitzte auf, ein Scheppern ertönte und ein Schmerzensschrei : Kreacher war auf Mundungus losgestürmt und hatte ihm einen Kochtopf an den Kopf geknallt. »Ruf ihn zurück, ruf ihn zurück, der gehört eingesperrt!«, schrie Mundungus und duckte sich, als Kreacher den schwerbödigen Topf erneut hob. »Kreacher, nein!«, rief Harry. Kreachers dünne Arme zitterten unter dem Gewicht des Topfes, den er nach wie vor emporhielt. »Vielleicht nur noch ein Mal, Meister Harry? Das bringt Glück!« Ron lachte. »Wir brauchen ihn bei Bewusstsein, Kreacher, aber wenn wir ihm auf die Sprünge helfen müssen, dann kannst du ihm die Ehre erweisen«, sagte Harry. »Vielen Dank, Herr«, sagte Kreacher mit einer Verbeugung, und er trat ein wenig zurück, die großen blassen Augen immer noch hasserfüllt auf Mundungus gerichtet. »Als du alle Wertgegenstände aus diesem Haus geholt hast, die du finden konntest«, begann Harry erneut, »hast du einiges aus dem Küchenschrank mitgenommen. Da war ein Medaillon dabei.« Harrys Mund war plötzlich trocken. Er konnte spüren, dass auch Ron und Hermine angespannt und aufgeregt waren. »Was hast du damit gemacht?« »Warum?«, fragte Mundungus. »Is' es wertvoll?« »Du hast es immer noch!«, rief Hermine. »Nein, hat er nicht«, sagte Ron gewieft. »Er fragt sich nur, ob er nicht mehr Geld dafür hätte verlangen sollen.« »Mehr?«, sagte Mundungus. »Das wär verdammt noch mal nicht schwierig gewesen ... zum Teufel, ich hab's verschenkt, kapiert? Blieb mir nichts anderes übrig.« »Was soll das heißen?« »Ich hab grade in der Winkelgasse verkauft, da kommt so 'ne Frau auf mich zu un' fragt mich, ob ich 'ne Lizenz für den Handel mit magischen Artefakten hab. Miese Schnüfflerin. Wollt' mir 'n Bußgeld aufbrummen, aber sie hatte 'n Auge auf dieses Medaillon geworfen, un' sie meinte, sie würd es nehmen und mich diesmal noch laufen lassen, un' ich könnt von Glück reden.« »Wer war diese Frau?«, fragte Harry. »Keine Ahnung, irgend'ne Sabberhexe vom Ministerium.« Mundungus überlegte kurz mit gerunzelter Stirn. »Kleine Frau. Haarschleife oben aufm Kopf.« Er schaute finster drein, dann fügte er hinzu: »Sah aus wie 'ne Kröte.« Harry ließ seinen Zauberstab fallen: Er traf Mundungus an der Nase und sprühte rote Funken in seine Augenbrauen, die Feuer fingen. Harry blickte auf und sah sein Entsetzen in den Gesichtern von Ron und Hermine widergespiegelt. Die Narben auf seinem rechten Handrücken schienen erneut zu brennen. |
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