"Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" - читать интересную книгу автора (Роулинг Джоан)Erbteil des fluches, hässlicher sünde blutige wunde, schmerzen, wer trüge sie? quälen, wer stillte sie? wehe weh! Einzig der erbe heilet des hauses eiternde wunde, einzig mit blut'gem schnitt. götter der finsternis rief mein lied. Sel'ge geister drunten in der tiefe, wenn ihr die beschwörungsrufe hörtet, bringt den kindern hilfe, bringt den sieg. Aischylos, Sterben ist nur ein Uebergang aus dieser Welt in die andere, als wenn Freunde über See gehen, welche dennoch in einander fortleben. Denn Diejenigen, die im Allgegenwärtigen lieben und leben, müssen nothwendig einander gegenwärtig seyn. In diesem göttlichen Spiegel sehen sie sich von Angesicht zu Angesicht, und ihr Umgang ist so wohl frey als rein. Und wenn sie auch durch den Tod getrennt werden, so haben sie doch den Trost, daß ihre Freundschaft und Gesellschaft ihnen, dem besten Gefühle nach, beständig gegenwärtig bleibt, weil diese unsterblich ist. William Penn, Das Testament von Albus DumbledoreEr ging im kühlen blauen Licht der Morgendämmerung eine Gebirgsstraße entlang. Tief unten lagen in Nebel gehüllt die dunklen Umrisse eines kleinen Dorfes. War der Mann, den er suchte, dort unten? Der Mann, den er so dringend brauchte, dass er kaum an etwas anderes denken konnte, der Mann, der die Lösung bereithielt, die Lösung für sein Problem ... »Hey, wach auf.« Harry öffnete die Augen. Er lag wieder auf dem vertrauten Feldbett in Rons schlichtem Zimmer unter dem Dach. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und der Raum noch düster. Pigwidgeon schlief mit dem Kopf unter seinem kleinen Flügel. Die Narbe auf Harrys Stirn kribbelte. »Du hast im Schlaf gemurmelt.« »Wirklich?« »Jaah. gt;Gregorowitsch.lt; Du hast dauernd gt;Gregorowitschlt; gesagt.« Harry hatte seine Brille nicht auf; Rons Gesicht sah leicht verschwommen aus. »Wer ist Gregorowitsch?« »Ich weiß nicht, woher auch? Du hast es doch gesagt.« Harry rieb sich nachdenklich die Stirn. Er hatte das vage Gefühl, den Namen schon einmal gehört zu haben, aber er wusste nicht mehr wo. »Ich glaube, Voldemort ist auf der Suche nach ihm.« »Armer Kerl«, sagte Ron mitleidig. Harry setzte sich auf, inzwischen hellwach, und rieb sich weiter seine Narbe. Er versuchte sich genau in Erinnerung zu rufen, was er im Traum gesehen hatte, doch alles, was ihm wieder einfiel, war eine Bergkette am Horizont und die Silhouette des kleinen Dorfes, das in ein tiefes Tal gebettet war. »Ich glaube, er ist im Ausland.« »Wer, Gregorowitsch?« »Voldemort. Ich glaube, er ist irgendwo im Ausland, auf der Suche nach Gregorowitsch. Es sah nicht so aus, als ob es irgendwo in Großbritannien wäre.« »Meinst du, dass du wieder in seinen Kopf geschaut hast?« Ron klang besorgt. »Tu mir einen Gefallen und erzähl Hermine nichts davon«, sagte Harry. » Obwohl, erwartet sie denn, dass ich verhindern kann, Dinge im Schlaf zu sehen ...?« Er starrte hoch zum Käfig des kleinen Pigwidgeon und dachte nach ... Warum kam ihm der Name »Gregorowitsch« bekannt vor? »Ich glaube«, sagte er langsam, »er hat was mit Quidditch zu tun. Da gibt es irgendeine Verbindung, aber mir – mir fällt nicht ein, welche.« »Quidditch?«, sagte Ron. »Bist du sicher, dass du nicht Gorgowitsch meinst?« »Wen?« »Dragomir Gorgowitsch, Jäger, vor zwei Jahren für eine Rekordablösesumme zu den Chudley Cannons gewechselt. Hält den Rekord für die meisten Quaffelfehlschüsse in einer Saison.« »Nein«, sagte Harry. »Ich denke ganz bestimmt nicht an Gorgowitsch.« »Das versuche ich auch«, sagte Ron. »Na ja, alles Gute zum Geburtstag übrigens.« »Hey – stimmt, hab ich ganz vergessen! Ich bin siebzehn!« Harry nahm den Zauberstab, der neben seinem Feldbett lag, richtete ihn auf den überladenen Schreibtisch, wo er seine Brille abgelegt hatte, und sagte: »Raffiniert«, prustete Ron. Harry kostete es von Herzen aus, dass er die Spur los war, und ließ Rons Sachen durchs Zimmer fliegen, womit er Pigwidgeon weckte, der aufgeregt in seinem Käfig umherflatterte. Er versuchte auch die Schnürsenkel seiner Turnschuhe mit Magie zuzubinden (es dauerte Minuten, bis er den dadurch entstandenen Knoten wieder von Hand gelöst hatte) und verwandelte nur so zum Spaß die orangeroten Umhänge der Chudley Cannons auf Rons Postern in hellblaue. »Den Hosenschlitz würd ich mir aber von Hand zumachen«, riet ihm Ron und kicherte los, als Harry sofort hinsah. »Hier ist dein Geschenk. Pack es hier oben aus, das ist nichts für meine Mutter.« »Ein Buch?«, fragte Harry, als er das rechteckige Päckchen entgegennahm. »Mal ganz was anderes, oder?« »Das ist nicht irgendein Buch«, sagte Ron. »Es ist reines Gold wert: Als sie in die Küche kamen, lag schon ein Stapel Geschenke auf dem Tisch. Bill und Monsieur Delacour waren gerade mit dem Frühstück fertig, und Mrs Weasley stand an der Bratpfanne und plauderte mit ihnen. »Ich soll dir von Arthur alles Gute zu deinem Siebzehnten wünschen, Harry«, sagte Mrs Weasley und sah ihn strahlend an. »Er musste früh raus zur Arbeit, aber zum Abendessen ist er wieder da. Das oberste ist unser Geschenk.« Harry setzte sich, nahm das quadratische Päckchen, auf das sie gedeutet hatte, und packte es aus. Es war eine Uhr darin, die fast genauso aussah wie die, die Mr und Mrs "Weasley Ron zum siebzehnten Geburtstag geschenkt hatten; sie war golden und hatte statt Zeigern Sterne, die sich um das Zifferblatt drehten. »Es hat Tradition, dass man einem Zauberer eine Uhr schenkt, wenn er volljährig wird«, sagte Mrs Weasley und beobachtete ihn gespannt von ihrem Platz am Herd aus. »Die hier ist leider nicht neu wie die von Ron, sie gehörte eigentlich meinem Bruder Fabian, und er ging nicht besonders pfleglich mit seinen Sachen um, auf der Rückseite hat sie ein paar Macken, aber -« Der Rest ihrer Worte war nicht mehr zu hören; Harry war aufgesprungen und hatte sie in die Arme geschlossen. Er versuchte eine Menge nie ausgesprochener Dinge in die Umarmung zu legen, und vielleicht verstand sie es, denn als er sie losließ, tätschelte sie ihm unbeholfen die Wange und fuchtelte dann etwas ziellos mit dem Zauberstab herum, worauf eine halbe Packung Schinkenspeck aus der Pfanne sprang und auf den Boden klatschte. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Harry!«, sagte Hermine, als sie in die Küche stürmte und ihr Geschenk oben auf den Stapel legte. »Es ist nur eine Kleinigkeit, aber ich hoffe, es gefällt dir. Was hat er von dir bekommen?«, fügte sie an Ron gewandt hinzu, der sie nicht zu hören schien. »Na komm schon, mach das von Hermine auf!«, sagte Ron. Sie hatte ihm ein neues Spickoskop gekauft. Die anderen Päckchen enthielten einen magischen Rasierapparat von Bill und Fleur (»Mais oui, der macht Ihnen die sauberste Rasur, die Sie über'aupt bekommen können«, versicherte ihm Monsieur Delacour, »aber Sie müssen ihm deutlisch sagen, was Sie wollen ... sonst kann es passieren, dass Sie am Ende ein bieschen weniger 'aare 'aben, als Ihnen lieb ist ...«), Pralinen von den Delacours und eine riesige Schachtel mit der neuesten Ware aus Harry, Ron und Hermine blieben nicht lange am Tisch, denn als Madame Delacour, Fleur und Gabrielle erschienen, wurde es in der Küche ungemütlich voll. »Ich pack die Sachen für dich ein«, sagte Hermine munter, während die drei wieder nach oben gingen, und nahm Harry die Geschenke aus den Armen. »Ich bin fast fertig, ich wart nur noch, bis deine restlichen Hosen aus der Wäsche kommen, Ron -« Ron begann zu stottern, wurde jedoch jäh unterbrochen, als im ersten Stock eine Tür aufging. »Harry, kommst du bitte mal kurz rein?« Es war Ginny. Ron blieb abrupt stehen, aber Hermine packte ihn am Ellbogen und zog ihn weiter die Treppe hinauf. Nervös folgte Harry Ginny in ihr Zimmer. Er war noch nie hier drin gewesen. Es war klein, aber hell. Ein großes Poster der magischen Musikband Ginny blickte zu Harrys Gesicht auf, holte tief Luft und sagte: »Alles Gute zum siebzehnten Geburtstag.« »Jaah ... danke.« Sie sah ihn unverwandt an; ihm jedoch fiel es schwer, ihren Blick zu erwidern; es war, als ob er in ein strahlendes Licht sehen würde. »Hübsche Aussicht«, sagte er matt und wies zum Fenster. Sie ging nicht darauf ein. Er konnte es ihr nicht verdenken. »Ich wusste nicht, was ich dir schenken soll«, sagte sie. »Du musst mir nichts schenken.« Sie überging auch das. »Ich wusste nicht, was du brauchen könntest. Nichts allzu Großes, weil du das nicht mitnehmen kannst.« Er wagte einen Blick zu ihr hin. Sie hatte keine Tränen in den Augen; das war einer der vielen wunderbaren Züge an Ginny, sie war selten weinerlich. Er hatte manchmal überlegt, dass ihre sechs Brüder sie wohl abgehärtet hatten. Sie machte einen Schritt auf ihn zu. »Deshalb hab ich mir dann gedacht, dass ich dir gerne was geben würde, das dich an mich erinnert, weißt du, falls du vielleicht eine von diesen Veela triffst, wenn du weg bist und machst, was auch immer du machst.« »Ich glaub ehrlich gesagt, zu irgendwelchen Verabredungen wird es unterwegs wohl kaum Gelegenheit geben.« »Das ist der Silberstreif, auf den ich gehofft habe«, flüsterte sie, und dann küsste sie ihn, wie sie ihn nie zuvor geküsst hatte, und Harry erwiderte ihren Kuss, und es war glückseliges Versinken, besser als Feuerwhisky; sie war das einzig Wirkliche auf der Welt, Ginny, wie er sie jetzt spürte, die eine Hand auf ihrem Rücken und die andere in ihrem langen, süß duftenden Haar - Hinter ihnen knallte die Tür auf und sie schreckten auseinander. »Oh«, sagte Ron spitz. »Verzeihung.« »Ron!« Hermine stand direkt hinter ihm, leicht außer Atem. Ein unnatürliches Schweigen trat ein, bis Ginny mit dünner, leiser Stimme sagte: »Dann mal alles Gute, Harry.« Ron hatte puterrote Ohren; Hermine wirkte nervös. Harry hätte ihnen am liebsten die Tür vor der Nase zugeknallt, aber es war, als ob ein kalter Luftzug ins Zimmer gefegt wäre, als die Tür aufging, und als ob sein strahlender Augenblick geplatzt wäre wie eine Seifenblase. Alle Gründe, warum er seine Beziehung mit Ginny beendet hatte, warum er einigen Abstand von ihr hielt, schienen sich mit Ron in ihr Zimmer geschlichen zu haben, und das ganze glückliche Vergessen hatte ein Ende. Er sah Ginny an, wollte etwas sagen, obwohl er nicht recht wusste, was, doch sie hatte ihm den Rücken zugewandt. Vielleicht hatte sie dieses eine Mal doch den Tränen nachgegeben. In Rons Gegenwart konnte er nichts tun, um sie zu trösten. »Wir sehen uns später«, sagte er und folgte den beiden anderen aus dem Zimmer. Ron marschierte nach unten, durch die immer noch übervölkerte Küche hinaus auf den Hof, Harry hielt die ganze Zeit mit ihm Schritt, und Hermine trottete ihnen mit ängstlichem Gesicht hinterher. Sobald Ron etwas abseits auf dem frisch gemähten Rasen war, fiel er auch schon über Harry her. »Du hast mit ihr Schluss gemacht. Was tust du da gerade, spielst du ein bisschen mit ihr?« »Ich spiel nicht mit ihr«, sagte Harry, in dem Moment als Hermine dazukam. »Ron -« Aber Ron hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. »Sie war wirklich total fertig, als du die Sache beendet hast -« »Ich auch. Du weißt, warum ich sie beendet habe, es war nicht, weil ich es wollte.« »Jaah, aber jetzt gehst du hin und knutschst mit ihr rum, und sie macht sich nur wieder Hoffnungen -« »Sie ist nicht dumm, sie weiß doch, dass es nicht geht, sie rechnet nicht damit, dass wir – irgendwann heiraten oder -« Noch während Harry das sagte, tauchte ein lebhaftes Bild vor ihm auf, von Ginny in einem weißen Kleid, die einen großen, gesichtslosen und unsympathischen fremden Mann heiratete. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schwindel erregender Schlag: Ihre Zukunft war frei und unbelastet, während seine eigene ... Auf dem Weg, der vor ihm lag, konnte er nur Voldemort sehen. »Wenn du weiter bei jeder Gelegenheit, die sich bietet, an ihr rumfummelst – « »Das kommt nicht noch mal vor«, sagte Harry schroff. Es war ein wolkenloser Tag, aber ihm war, als ob die Sonne sich versteckt hätte. »Okay?« Ron blickte halb zornig, halb verlegen drein; er wippte kurz auf seinen Füßen vor und zurück, dann sagte er: »Also dann, in Ordnung, das ist –jaah.« Ginny suchte an diesem Tag kein weiteres Treffen mit Harry, und sie verriet weder durch Blicke noch durch Gesten, dass in ihrem Zimmer mehr zwischen ihnen vorgefallen war als eine höfliche Unterhaltung. Trotzdem war Harry erleichtert, als Charlie ankam. Es lenkte ihn ab, Mrs Weasley dabei zuzusehen, wie sie Charlie nötigte, auf einem Stuhl Platz zu nehmen, drohend ihren Zauberstab erhob und verkündete, dass sie ihm auf der Stelle einen ordentlichen Haarschnitt verpassen würde. Weil das abendliche Geburtstagsessen für Harry die Küche des Fuchsbaus gesprengt hätte, bereits ohne Charlie, Lupin, Tonks und Hagrid, die noch gar nicht angekommen waren, wurden im Garten mehrere Tische nebeneinander aufgestellt. Fred und George verzauberten einige lila Laternen, auf denen groß die Zahl »17« prangte, so dass sie frei über den Gästen schwebten. Mrs Weasleys Fürsorge war es zu verdanken, dass Georges Wunde gepflegt und sauber war, allerdings hatte Harry sich noch nicht an das dunkle Loch seitlich an seinem Kopf gewöhnt, auch wenn die Zwillinge viele Witze darüber rissen. Hermine ließ violette und goldene Papierschlangen. aus ihrem Zauberstab hervorschießen, die sich kunstvoll über Bäume und Büsche drapierten. »Hübsch«, sagte Ron, als Hermine mit einem letzten Schwung ihres Zauberstabs die Blätter des Holzapfelbaums golden färbte. »Du hast wirklich ein Händchen für solche Sachen.« »Danke, Ron!«, sagte Hermine, offensichtlich erfreut und zugleich ein wenig verwirrt. Harry wandte sich mit einem verstohlenen Lächeln ab. Er hatte das komische Gefühl, dass er ein Kapitel über Komplimente finden würde, wenn er einmal dazu kam, sein Exemplar von »Aus dem Weg, aus dem Weg!«, flötete Mrs Weasley, während sie mit etwas, das wie ein riesiger, wasserballgroßer Schnatz aussah und vor ihr herschwebte, durch das Tor kam. Es dauerte einige Sekunden, bis Harry begriff, dass es seine Geburtstagstorte war, die Mrs Weasley mit ihrem Zauberstab in der Luft hielt, weil sie es nicht riskieren wollte, sie über den unebenen Boden zu tragen. Als die Torte schließlich mitten auf dem Tisch landete, sagte Harry: »Die sieht ja wunderbar aus, Mrs Weasley.« »Oh, nur eine Kleinigkeit, Schatz«, sagte sie liebevoll. Hinter ihrer Schulter hielt Ron den Daumen für Harry nach oben und formte mit den Lippen die Worte: Gegen sieben Uhr waren alle Gäste da, Fred und George hatten sie am Ende der Zufahrt abgeholt und ins Haus geführt. Hagrid hatte sich zur Feier des Tages in seinen besten, fürchterlichen Anzug aus braunem Fellhaar geworfen. Lupin lächelte zwar, als er Harry die Hand schüttelte, kam Harry aber recht unglücklich vor. Das war äußerst merkwürdig; Tonks neben ihm sah einfach glänzend aus. »Alles Gute zum Geburtstag, Harry«, sagte sie und schloss ihn fest in die Arme. »Siebzehn, ey!«, sagte Hagrid und ließ sich von Fred ein eimergroßes Glas Wein reichen. »Vor haargenau sechs Jahr'n ham wir uns zum ersten Mal getroffen, Harry, erinnerst du dich noch?« »Verschwommen«, sagte Harry und grinste zu ihm hoch. »Hast du nicht die Haustür eingeschlagen, Dudley ein Schweineschwänzchen verpasst und mir gesagt, dass ich ein Zauberer bin? « »Die Einzelheit'n hab ich vergessen«, gluckste Hagrid. »Wie geht's euch, Ron, Hermine?« »Uns geht's gut«, sagte Hermine. »Und dir?« »Äh, nich schlecht. Hatte viel Arbeit, wir ham 'n paar neugeborene Einhörner, die zeig ich euch, wenn ihr zurückkommt -« Harry mied Rons und Hermines Blicke, während Hagrid in seiner Tasche wühlte. »Hier, Harry – wusst einfach nich, was ich dir schenken soll, aber dann is' mir das eingefallen.« Er zog einen kleinen, etwas pelzigen Beutel an einer langen Kordel heraus, der offensichtlich um den Hals zu tragen war. »Eselsfell. Versteck irgendwas dadrin und keiner außer'm Besitzer kriegt es wieder raus. Sind selten, die Dinger.« »Danke, Hagrid!« »Nich der Rede wert«, sagte Hagrid mit einem Schlenker seiner mülleimerdeckelgroßen Hand. »Da is' ja Charlie! Hab ich immer gemocht –hey! Charlie!« Charlie kam näher und strich sich dabei mit der Hand ein bisschen wehmütig über seine neue, gnadenlos kurze Frisur. Er war kleiner als Ron, stämmig und hatte etliche Brandnarben und Kratzer an seinen muskulösen Armen. »Hi, Hagrid, wie steht's?« »Will dir schon seit 'ner Ewigkeit schreiben. Wie geht's Norbert?« »Norbert?« Charlie lachte. »Dem Norwegischen Stachelbuckel? Wir nennen sie jetzt Norberta.« »Was – Norbert ist ein Mädchen?« »O jaah«, sagte Charlie. »Woher weißt du das?«, fragte Hermine. »Die sind viel bissiger«, sagte Charlie. Er blickte über seine Schulter und senkte die Stimme. »Wär schön, wenn Dad sich beeilen und endlich kommen würde. Mum wird langsam nervös.« Alle sahen zu Mrs Weasley hinüber. Sie versuchte ein Gespräch mit Madame Delacour zu führen und warf dabei immer wieder kurze Blicke zum Tor. »Ich glaube, wir fangen am besten ohne Arthur an«, rief sie nach einer Weile in die Gartenrunde. »Er ist sicher aufgehalten worden im – oh!« Sie sahen es alle gleichzeitig: Ein Lichtstrahl kam mitten durch den Hof bis zum Tisch geflogen, wo er die Gestalt eines leuchtend silbernen Wiesels annahm, das auf den Hinterbeinen stand und mit Mr Weasleys Stimme sprach. »Zaubereiminister begleitet mich.« Der Patronus löste sich in nichts auf, und Fleurs Familie starrte verdutzt auf die Stelle, wo er verschwunden war. »Wir gehen dann mal besser«, sagte Lupin sofort. »Harry -tut mir leid –ich erklär's dir ein andermal -« Er packte Tonks am Handgelenk und zog sie fort; sie gingen bis zum Zaun, kletterten darüber und verschwanden. Mrs Weasley sah verwirrt aus. »Der Minister – aber warum -? Ich verstehe nicht -« Doch es blieb keine Zeit, diese Frage zu erörtern; eine Sekunde später war Mr Weasley aus dem Nichts am Tor erschienen, in Begleitung von Rufus Scrimgeour, den man gleich an seiner grauen Haarmähne erkennen konnte. Die beiden Neuankömmlinge gingen mit zügigen Schritten über den Hof auf den Garten und den laternenbeleuchteten Tisch zu, wo die ganze Gesellschaft schweigend dasaß und beobachtete, wie sie näher kamen. Als Scrimgeour ins Licht der Laternen trat, bemerkte Harry, dass er viel älter aussah als bei ihrer letzten Begegnung, hager und grimmig. »Verzeihen Sie, dass ich störe«, sagte Scrimgeour, indem er humpelnd an den Tisch trat und davor stehen blieb. »Besonders, da ich sehe, dass ich hier ungeladen in eine Festlichkeit hineinplatze.« Seine Augen verharrten für einen Moment auf der riesigen Schnatztorte. »Herzlichen Glückwunsch.« »Danke«, sagte Harry. »Ich muss Sie um eine persönliche Unterredung bitten«, fuhr Scrimgeour fort. »Ebenso Mr Ronald Weasley und Miss Hermine Granger.« »Uns?«, sagte Ron, offenbar überrascht. »Warum uns?« »Das werde ich Ihnen mitteilen, wenn wir uns irgendwohin zurückgezogen haben«, erwiderte Scrimgeour. »Gibt es hier einen entsprechenden Ort?«, fragte er, an Mr Weasley gewandt. »Ja, natürlich«, sagte Mr Weasley, der nervös wirkte. »Das, ähm, Wohnzimmer, warum nehmen Sie nicht das?« »Wenn Sie vorausgehen würden«, sagte Scrimgeour zu Ron. »Es ist nicht nötig, dass Sie uns begleiten, Arthur.« Harry bemerkte, wie Mr Weasley einen besorgten Blick mit seiner Frau wechselte, während Harry, Ron und Hermine aufstanden. Als sie schweigend in Richtung Haus vorangingen, war Harry sicher, dass die anderen beiden das Gleiche dachten wie er: Scrimgeour musste irgendwie erfahren haben, dass sie alle drei vorhatten, Hogwarts abzubrechen. Scrimgeour sagte kein Wort, während sie durch die unordentliche Küche ins Wohnzimmer des Fuchsbaus gingen. Obwohl der Garten noch in weichem goldenem Abendlicht lag, war es hier drin schon dunkel: Als er eintrat, schnippte Harry mit seinem Zauberstab zu den Öllampen hin, und sie erhellten den schäbigen, aber behaglichen Raum. Scrimgeour ließ sich in dem ausgeleierten Sessel nieder, in dem sonst Mr Weasley saß, so dass Harry, Ron und Hermine sich Schulter an Schulter auf das Sofa quetschen mussten. Sie hatten kaum Platz genommen, als Scrimgeour das Wort ergriff. »Ich habe einige Fragen an Sie drei, und ich denke, es wird das Beste sein, wenn wir das jeweils unter vier Augen erledigen. Würden Sie beide«, er wies auf Harry und Hermine, »bitte oben warten, ich möchte mit Ronald anfangen.« »Wir gehen nirgendwohin«, sagte Harry, während Hermine lebhaft nickte. »Sie können mit uns allen zusammen reden oder gar nicht.« Scrimgeour warf Harry einen kalten, abschätzenden Blick zu. Harry hatte das Gefühl, dass der Minister überlegte, ob es sich lohnte, so früh Feindseligkeiten zu eröffnen. »Nun gut, dann alle zusammen«, sagte er achselzuckend. Er räusperte sich. »Ich bin, wie Sie sicher wissen, wegen des Testaments von Albus Dumbledore hierhergekommen.« Harry, Ron und Hermine sahen einander an. »Das überrascht Sie offenbar! Sie waren also nicht davon unterrichtet, dass Dumbledore Ihnen etwas vererbt hat?« »U-uns allen?«, sagte Ron. »Mir und Hermine auch?« »Ja, Ihnen all-« Aber Harry unterbrach ihn. »Dumbledore ist vor über einem Monat gestorben. Warum hat es so lange gedauert, bis man uns gibt, was er uns hinterlassen hat?« »Ist das nicht offensichtlich?«, sagte Hermine, ehe Scrimgeour antworten konnte. »Was auch immer er uns vererbt hat, die wollten es zuerst untersuchen. Dazu hatten Sie kein Recht!«, sagte sie mit leicht zitternder Stimme. »Ich hatte durchaus das Recht dazu«, erwiderte Scrimgeour von oben herab. »Der Erlass zur Befugten Beschlagnahme verleiht dem Ministerium die Macht, den Gegenstand eines Testaments einzubehalten -« »Dieses Gesetz wurde geschaffen, um Zauberer daran zu hindern, schwarzmagische Artefakte weiterzuvererben«, sagte Hermine, »und das Ministerium muss stichhaltige Beweise dafür haben, dass die Besitztümer des Verstorbenen illegal sind, bevor man sie beschlagnahmt! Wollen Sie mir sagen, dass Sie dachten, Dumbledore hätte versucht, uns irgendetwas zu vererben, auf dem ein Fluch liegt?« »Haben Sie vor, sich später beruflich mit magischem Recht zu befassen, Miss Granger?«, fragte Scrimgeour. »Nein, das habe ich nicht«, entgegnete Hermine. »Ich hoffe, dass ich etwas Gutes in der Welt bewirken kann!« Ron lachte. Scrimgeours Augen flackerten zu Ron hinüber und wieder weg, als Harry zu sprechen begann. »Und was hat Sie bewogen, uns unsere Sachen jetzt zu geben? Fällt Ihnen etwa keine Ausrede dafür ein, sie zu behalten?« »Nein, es liegt sicher daran, dass die einunddreißig Tage abgelaufen sind«, warf Hermine sofort ein. »Sie dürfen die Gegenstände nicht länger behalten, es sei denn, sie können beweisen, dass sie gefährlich sind. Stimmt's?« »Würden Sie sagen, dass Sie Dumbledore nahestanden, Ronald?«, fragte Scrimgeour, ohne auf Hermine einzugehen. Ron blickte verdutzt. »Ich? Nicht – nicht so richtig ... es war immer Harry, der ...« Ron wandte sich zu Harry und Hermine, die ihm einen Blick zuwarf, der wohl »Wenn Sie Dumbledore nicht sonderlich nahestanden, wie erklären Sie sich die Tatsache, dass er Sie in seinem Testament berücksichtigt hat? Er hat außerordentlich wenige Personen bedacht. Der weitaus überwiegende Teil seiner Besitztümer – seine Privatbibliothek, die magischen Instrumente und andere persönliche Dinge – gingen an Hogwarts. Warum, glauben Sie, wurden Sie ausgewählt?« »Ich ... hab keine Ahnung«, sagte Ron. »Ich ... als ich sagte, dass wir uns nicht so nahestanden ... Ich meine, ich glaube, er mochte mich ...« »Du untertreibst, Ron«, sagte Hermine. »Dumbledore hat dich sehr geschätzt.« Damit hatte sie die Wahrheit mehr als strapaziert; soweit Harry wusste, hatten sich Ron und Dumbledore nie unter vier Augen gesehen, und sie hatten kaum nennenswerten persönlichen Kontakt gehabt. Doch Scrimgeour hörte offenbar gar nicht zu. Er steckte die Hand unter seinen Umhang und holte einen Zugbeutel hervor, einen viel größeren als den, den Hagrid Harry geschenkt hatte. Er nahm eine Pergamentrolle heraus, rollte sie auf und las laut vor. Scrimgeour zog etwas aus dem Beutel, das Harry bekannt vorkam: Es sah aus wie ein silbernes Feuerzeug, aber er wusste, dass es die Kraft hatte, mit einem einfachen Klick sämtliches Licht von einem Ort aufzusaugen und es auch wieder zurückzugeben. Scrimgeour beugte sich vor und reichte den Deluminator Ron, der ihn mit verdutzter Miene entgegennahm und zwischen den Fingern drehte. »Dies ist ein wertvolles Objekt«, sagte Scrimgeour, den Blick auf Ron geheftet. »Es ist vielleicht sogar ein Unikat. Mit Sicherheit wurde es von Dumbledore selbst entworfen. Weshalb sollte er Ihnen einen so seltenen Gegenstand hinterlassen?« Ron schüttelte ratlos den Kopf. »Dumbledore muss Tausende von Schülern unterrichtet haben«, fuhr Scrimgeour unbeirrt fort. »Doch die einzigen, die er in seinem Testament bedacht hat, sind Sie drei. Was ist der Grund dafür? Für welchen Zweck, glaubte er, würden Sie seinen Deluminator verwenden, Mr Weasley?« »Ich denk mal, um Lichter auszumachen«, murmelte Ron. »Was könnte ich sonst damit anfangen?« Offenbar hatte Scrimgeour keine Vorschläge parat. Er sah Ron kurz mit zusammengekniffenen Augen an, dann widmete er sich wieder Dumbledores Testament. Scrimgeour zog ein kleines Buch aus dem Beutel, das so alt aussah wie die Harry sah, dass der Titel in Runen geschrieben war; er hatte nie gelernt, sie zu lesen. Während er hinschaute, tropfte eine Träne auf die geprägten Zeichen. »Warum, glauben Sie, hat Dumbledore Ihnen dies Buch hinterlassen, Miss Granger?«, fragte Scrimgeour. »Er ... er wusste, dass ich Bücher mag«, sagte Hermine mit belegter Stimme und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen., »Aber warum ausgerechnet dieses Buch?« »Ich weiß nicht. Sicher hat er gedacht, es würde mir gefallen.« »Haben Sie mit Dumbledore jemals über Geheimcodes gesprochen oder über irgendwelche Verfahren, geheime Botschaften weiterzuleiten?« »Nein, hab ich nicht«, sagte Hermine, die sich nach wie vor mit dem Ärmel die Augen rieb. »Und wenn das Ministerium in einunddreißig Tagen keine versteckten Codes in diesem Buch gefunden hat, dann bezweifle ich, dass ich sie finde.« Sie unterdrückte ein Schluchzen. Sie saßen so dicht eingezwängt, dass Ron nur mit Mühe seinen Arm befreien und ihn um Hermines Schultern legen konnte. Scrimgeour widmete sich wieder dem Testament. Als Scrimgeour den kleinen, walnussgroßen goldenen Ball hervorzog, flatterten dessen Silberflügel ziemlich lahm, und Harry konnte nicht umhin, heftig enttäuscht zu sein. »Warum hat Dumbledore Ihnen diesen Schnatz hinterlassen?«, fragte Scrimgeour. »Keine Ahnung«, sagte Harry. »Aus den Gründen, die Sie gerade vorgelesen haben, vermute ich ... um mich an das zu erinnern, was man schaffen kann, wenn man ... beharrlich ist und so weiter.« »Sie glauben also, dies sei ein rein symbolisches Erinnerungsstück?« »Ich nehme es an«, sagte Harry. »Was könnte es sonst sein?« »Ich stelle hier die Fragen«, sagte Scrimgeour und rückte mit seinem Sessel ein wenig näher an das Sofa heran. Draußen brach nun wirklich die Abenddämmerung an; das Zelt vor den Fenstern ragte gespenstisch weiß über der Hecke auf. »Ich stelle fest, dass Ihre Geburtstagstorte die Gestalt eines Schnatzes hat«, sagte Scrimgeour zu Harry. »Weshalb?« Hermine lachte spöttisch. »Oh, das kann ja keine Anspielung auf die Tatsache sein, dass Harry ein großartiger Sucher ist, das wäre viel zu offensichtlich«, sagte sie. »Da muss eine geheime Botschaft von Dumbledore im Zuckerguss versteckt sein!« »Ich glaube nicht, dass irgendetwas im Zuckerguss versteckt ist«, sagte Scrimgeour, »aber ein Schnatz wäre ein sehr gutes Versteck für einen kleinen Gegenstand. Sie wissen sicher, warum?« Harry zuckte die Achseln. Doch Hermine antwortete. Harry dachte, dass es ihr schon so in Fleisch und Blut übergegangen war, Fragen richtig zu beantworten, dass sie den Impuls nicht unterdrücken konnte. »Weil Schnatze Körperspeicher haben«, sagte sie. »Was?«, sagten Harry und Ron gleichzeitig; die beiden hielten Hermines Quidditch-Kenntnisse für kümmerlich. »Richtig«, bestätigte Scrimgeour. »Ein Schnatz kommt nicht in Kontakt mit bloßer Haut, ehe er freigegeben wird, nicht einmal mit der des Herstellers, der Handschuhe trägt. Ein Zauber liegt auf ihm, durch den er den ersten Menschen identifizieren kann, der ihn in die Hände bekam, falls es umstritten sein sollte, wer ihn gefangen hat. Dieser Schnatz«, er hielt den kleinen goldenen Ball empor, »wird sich immer an Ihre Berührung erinnern, Potter. Ich könnte mir vorstellen, dass Dumbledore, der, einmal abgesehen von seinen sonstigen Fehlern, gewaltige magische Fähigkeiten besaß, diesen Schnatz vielleicht verzaubert hat, damit er sich nur für Sie öffnet.« Harrys Herz schlug ziemlich schnell. Er war überzeugt, dass Scrimgeour Recht hatte. Wie konnte er es vermeiden, den Schnatz vor den Augen des Ministers in seine bloße Hand zu nehmen? »Sie schweigen«, sagte Scrimgeour. »Womöglich wissen Sie bereits, was der Schnatz enthält?« »Nein«, sagte Harry, der immer noch überlegte, wie er vortäuschen konnte, den Schnatz anzufassen, ohne es tatsächlich zu tun. Wenn er nur Legilimentik beherrschen würde, und zwar richtig, dann könnte er jetzt Hermines Gedanken lesen; er konnte ihr Gehirn praktisch neben sich rattern hören. »Nehmen Sie ihn«, sagte Scrimgeour ruhig. Harry sah in Scrimgeours gelbe Augen, und er wusste, dass er keine andere Wahl hatte, als zu gehorchen. Er streckte die Hand aus, und Scrimgeour beugte sich erneut vor und legte den Schnatz langsam und bedächtig in Harrys Handfläche. Nichts geschah. Als Harrys Finger sich um den Schnatz schlossen, flatterten dessen Flügel müde und regten sich dann nicht mehr. Scrimgeour, Ron und Hermine starrten nach wie vor begierig auf den nun teilweise verdeckten Ball, als hofften sie immer noch, er würde sich irgendwie verwandeln. »Das war spannend«, sagte Harry kühl. Ron und Hermine lachten. »Das wär's dann, nicht wahr?«, fragte Hermine und wollte sich schon vom Sofa hochstemmen. »Nicht ganz«, sagte Scrimgeour, der jetzt missgelaunt dreinblickte. »Dumbledore hat Ihnen noch etwas anderes hinterlassen, Potter.« »Was denn?«, fragte Harry, erneut aufgeregt. Scrimgeour machte sich diesmal nicht die Mühe, aus dem Testament vorzulesen. »Das Schwert von Godric Gryffindor«, sagte er. Hermine und Ron erstarrten. Harry schaute sich um, ob er den rubinbesetzten Griff irgendwo sehen konnte, aber Scrimgeour zog das Schwert nicht aus dem Lederbeutel, der sowieso viel zu klein dafür wirkte. »Und wo ist es?«, fragte Harry argwöhnisch. »Leider«, sagte Scrimgeour, »stand es Dumbledore nicht zu, dieses Schwert zu verschenken. Das Schwert von Godric Gryffindor ist ein bedeutendes historisches Artefakt und als solches gehört es -« »Es gehört Harry!«, sagte Hermine erzürnt. »Es hat ihn auserwählt, er war derjenige, der es gefunden hat, es kam zu ihm aus dem Sprechenden Hut heraus -« »Verlässlichen historischen Quellen zufolge kann sich das Schwert in den Dienst eines jeden würdigen Gryffindors stellen«, sagte Scrimgeour. »Das macht es nicht zum alleinigen Eigentum von Mr Potter, was auch immer Dumbledore beschlossen haben mag.« Scrimgeour kratzte sich an seiner schlecht rasierten Wange und musterte Harry. »Warum, glauben Sie -?« »- wollte Dumbledore mir das Schwert geben?«, sagte Harry, der nur mühsam seine Wut zügelte. »Vielleicht dachte er, es würde sich hübsch an meiner Wand machen.« »Das ist kein Witz, Potter!«, knurrte Scrimgeour. »War es, weil Dumbledore glaubte, dass nur das Schwert von Godric Gryffindor den Erben von Slytherin besiegen kann? Wollte er Ihnen das Schwert geben, Potter, weil er wie viele andere glaubte, dass Sie der Ausersehene sind, der Ihn, dessen Name nicht genannt werden darf, vernichten wird?« »Interessante Theorie«, sagte Harry. »Hat irgendjemand schon mal versucht, ein Schwert in Voldemort hineinzustechen? Vielleicht sollte das Ministerium ein paar Leute darauf ansetzen, statt seine Zeit damit zu verschwenden, irgendwelche Deluminatoren auseinanderzunehmen oder Ausbrüche aus Askaban zu vertuschen. War es also das, womit Sie beschäftigt waren, Minister, als Sie sich in Ihrem Büro eingeschlossen hatten, haben Sie versucht, einen Schnatz aufzubrechen? Menschen sterben, um ein Haar wäre ich auch tot gewesen, Voldemort hat mich quer über drei Grafschaften verfolgt, er hat Mad-Eye Moody getötet, aber das Ministerium hat kein Wort dazu verlauten lassen, richtig? Und Sie glauben immer noch, wir würden mit Ihnen zusammenarbeiten!« »Sie gehen zu weit!«, rief Scrimgeour und erhob sich; auch Harry sprang auf. Scrimgeour humpelte auf Harry zu und stach ihm mit der Spitze seines Zauberstabs fest in die Brust: Sie brannte ein Loch in Harrys T-Shirt wie eine brennende Zigarette. »Hey!«, sagte Ron, sprang auf und hob nun ebenfalls den Zauberstab, aber Harry rief: »Nein! Willst du ihm einen Vorwand liefern, uns zu verhaften?« »Ihnen ist wohl eingefallen, dass Sie nicht in der Schule sind, was?«, sagte Scrimgeour und atmete schwer in Harrys Gesicht. »Eingefallen, dass ich nicht Dumbledore bin, der Ihnen Ihre Anmaßung und Ihre Aufsässigkeit nachsah? Sie tragen diese Narbe vielleicht wie eine Krone, Potter, aber es steht einem siebzehnjährigen Jungen nicht zu, mir zu sagen, wie ich meine Arbeit zu erledigen habe! Es ist an der Zeit, dass Sie etwas Respekt lernen!« »Es ist an der Zeit, dass Sie sich welchen verdienen«, sagte Harry. Der Boden bebte; schnelle Schritte waren zu hören, dann krachte die Wohnzimmertür auf, und Mr und Mrs Weasley stürmten herein. »Wir – wir dachten, wir hätten -«, begann Mr Weasley mit äußerst besorgter Miene, als er Harry und den Minister sah, die sich praktisch Nase an Nase gegenüberstanden. »- laute Stimmen gehört«, keuchte Mrs Weasley. Scrimgeour trat einige Schritte von Harry zurück und schaute kurz auf das Loch, das er in Harrys T-Shirt gebrannt hatte. Er schien es zu bereuen, dass er die Beherrschung verloren hatte. »Es – es war nichts«, knurrte er. »Ihre ... Haltung ist bedauerlich«, sagte er und blickte Harry erneut offen ins Gesicht. »Sie scheinen zu denken, dass das Ministerium nicht will, was Sie – was Dumbledore – wollte. Wir sollten zusammenarbeiten.« »Ich mag Ihre Methoden nicht, Minister«, sagte Harry. »Schon vergessen?« Zum zweiten Mal hob er seine rechte Faust und zeigte Scrimgeour die Narben, die sich immer noch weiß auf seinem Handrücken abzeichneten und die Worte »Was wollte er?«, fragte Mr Weasley und sah Harry, Ron und Hermine an, als Mrs Weasley zurückgeeilt kam. »Uns geben, was Dumbledore uns vererbt hat«, sagte Harry. »Sie haben gerade erst seinen Nachlass freigegeben.« Im Garten draußen wurden die drei Gegenstände, die Scrimgeour ihnen überbracht hatte, an den Esstischen von Hand zu Hand gereicht. Der Deluminator und die Sie aßen ziemlich schnell, dann gab es einen hastigen »Happy Birthday«-Chor, und es wurde viel Torte verdrückt, und schließlich löste sich die Party auf. Hagrid, der zur Hochzeit am nächsten Tag eingeladen war, mit seiner hünenhaften Gestalt jedoch unmöglich im überanspruchten Fuchsbau schlafen konnte, brach auf, um sich im benachbarten Feld ein Zelt aufzubauen. »Wir treffen uns oben«, flüsterte Harry Hermine zu, während sie Mrs Weasley halfen, den Garten wieder in seinen Normalzustand zu versetzen. »Wenn alle zu Bett gegangen sind.« Oben im Dachzimmer untersuchte Ron seinen Deluminator, und Harry füllte Hagrids Eselsfellbeutel, nicht mit Gold, sondern mit seinen liebsten Habseligkeiten, auch wenn manche davon scheinbar wertlos waren: die Karte des Rumtreibers, die Scherbe des verzauberten Spiegels von Sirius und das Medaillon von R. A. B. Er zog das Band fest und hängte sich den Beutel um den Hals, dann setzte er sich, nahm den alten Schnatz in die Hand und sah zu, wie seine Flügel kraftlos flatterten. Schließlich klopfte Hermine an die Tür und kam auf Zehenspitzen herein. »Dachte, du hältst nichts von diesem Zauber?«, sagte Ron. »Die Zeiten ändern sich«, erwiderte Hermine. »Jetzt zeig uns mal diesen Deluminator.« Ron gehorchte sofort. Er hielt ihn vor sich hoch und ließ ihn klicken. Die einzige Lampe, die sie eingeschaltet hatten, erlosch augenblicklich. »Die Sache ist nur«, flüsterte Hermine im Dunkeln, »wir hätten das auch mit peruanischem Instant-Finsternispulver machen können.« Ein leises Klicken war zu hören, die Lichtkugel der Lampe flog zurück an die Decke, und alles war wieder erleuchtet. »Er ist trotzdem cool«, sagte Ron ein wenig defensiv. »Und angeblich hat Dumbledore ihn selber erfunden! « »Ich weiß, aber er hat dich sicher nicht in sein Testament aufgenommen, damit du uns nur dabei helfen kannst, das Licht auszumachen!« »Meinst du, er wusste, dass das Ministerium sein Testament beschlagnahmen und alles untersuchen würde, was er uns hinterlässt?« »Bestimmt«, sagte Hermine. »Er konnte uns im Testament nicht verraten, warum er uns diese Sachen vererbt, aber das erklärt immer noch nicht ...« »... warum er uns keinen Wink hätte geben können, als er noch am Leben war?«, fragte Ron. »Ja, genau«, sagte Hermine, die unterdessen die »Da lag er falsch, oder?«, sagte Ron. »Ich hab immer gesagt, dass er nicht richtig tickt. Genial und alles, aber durchgeknallt. Harry einen alten Schnatz zu vererben – was zum Teufel sollte denn das?« »Ich habe keine Ahnung«, sagte Hermine. »Als Scrimgeour ihn dir in die Hand gedrückt hat, Harry, war ich absolut sicher, dass etwas passieren würde!« »Tja, schon«, sagte Harry, und als er den Schnatz in seiner Hand hochhob, ging sein Puls schneller. »Aber ich hab mich vor Scrimgeour ja auch nicht besonders angestrengt, oder?« »Was soll das heißen?«, fragte Hermine. »Der Schnatz, den ich bei meinem allerersten Quidditch-Spiel gefangen habe?«, sagte Harry. »Erinnerst du dich nicht?« Hermine schaute nur verwirrt drein. Ron jedoch hielt den Atem an und wies hektisch von Harry zum Schnatz und wieder zurück, bis er seine Stimme wiederfand. »Das war der, den du fast verschluckt hast! « »Genau«, sagte Harry und drückte mit wild klopfendem Herzen seinen Mund auf den Schnatz. Der Schnatz öffnete sich nicht. Ärger und bittere Enttäuschung stiegen in ihm hoch: Er ließ die goldene Kugel sinken, doch dann schrie Hermine auf. »Da steht was! Da steht was drauf, schnell, sieh nur!« Er hätte den Schnatz beinahe fallen lassen, so überrascht und aufgeregt war er. Hermine hatte vollkommen Recht. In die glatte goldene Oberfläche waren, wo Sekunden zuvor nichts gewesen war, fünf Wörter eingraviert, in der feinen schrägen Schrift, die Harry als Dumbledores Handschrift erkannte: Er hatte die Wörter kaum gelesen, als sie wieder verschwanden. Hermine und Ron schüttelten ratlos die Köpfe. »Ich öffne mich zum Schluss ... zum Doch wie oft sie die Wörter auch mit ganz unterschiedlichem Tonfall wiederholten, sie konnten keine weitere Bedeutung aus ihnen herauspressen. »Und das Schwert«, sagte Ron schließlich, als sie ihre Versuche aufgegeben hatten, in der Schnatzinschrift irgendeinen Sinn zu erkennen. »Warum wollte er, dass Harry das Schwert besitzt?« »Und warum konnte er es mir nicht einfach sagen?«, fragte Harry leise. »Es war Er fühlte sich, als ob er in einer Prüfung sitzen würde, mit einer Frage vor sich, deren Antwort er eigentlich wissen müsste, doch sein Kopf war lahm und reagierte nicht. Gab es irgendetwas, das ihm in den langen Gesprächen mit Dumbledore im letzten Jahr entgangen war? Sollte er eigentlich wissen, was das alles zu bedeuten hatte? Hatte Dumbledore erwartet, dass er es verstehen würde? »Und was dieses Buch angeht«, sagte Hermine. »Du hast noch nie was von den »Doch, ehrlich!«, sagte Hermine überrascht. »Du kennst sie also?« »Ja, klar!« Harry hob aufhorchend den Blick. Dass Ron ein Buch gelesen hatte, das Hermine nicht kannte, war noch nie da gewesen. Ron jedoch schien angesichts ihrer Überraschung verwirrt. »Jetzt komm schon! Die ganzen alten Kindergeschichten sollen doch von Beedle sein, oder? »Wie bitte?«, sagte Hermine kichernd. »Wie hieß das Letzte noch mal?« »Nun hör aber auf!«, sagte Ron und sah ungläubig von Harry zu Hermine. »Ihr müsst doch von Babbelhäschen -« »Ron, du weißt genau, dass Harry und ich bei Muggeln aufgewachsen sind!«, sagte Hermine. »Wir haben keine von diesen Geschichten gehört, als wir klein waren, sondern »Was ist das, eine Krankheit?«, warf Ron ein. »Das sind also Kindergeschichten?«, fragte Hermine und beugte sich wieder über die Runen. »Jaah«, sagte Ron verunsichert. »Ich meine, so hab ich's eben erzählt bekommen, verstehst du, dass diese ganzen alten Geschichten von Beedle stammen. Ich weiß nicht, wie sie in der Originalfassung sind. « »Warum Dumbledore wohl meinte, dass ich sie lesen soll?« Von unten war ein Knarren zu hören. »Wahrscheinlich nur Charlie, jetzt, wo Mum schläft, schleicht er weg, um sich seine Haare nachwachsen zu lassen«, sagte Ron nervös. »Wie auch immer, wir sollten zu Bett gehen«, flüsterte Hermine. »Es wäre keine gute Idee, morgen zu verschlafen.« »Nein«, stimmte Ron ihr zu. »Ein brutaler Dreifachmord durch die Mutter des Bräutigams würde der Hochzeit einen kleinen Dämpfer verpassen. Ich mach das Licht aus.« Und er ließ noch einmal den Deluminator klicken, als Hermine das Zimmer verließ. |
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