"Kalle Blomquist" - читать интересную книгу автора (Линдгрен Астрид)







ZEHNTES KAPITEL

»Was halten Sie von dieser bemerkenswerten Unterhaltung, Herr Blomquist?«

Kalle lag auf dem Rücken unter dem Birnbaum in seinem eigenen Garten, und es war sein eingebildeter Zuhörer, der ihn wieder interviewte.

»Tja«, sagte Herr Blomquist. »Vor allen Dingen ist es klar, daß wir in diesem Kriminaldrama nicht nur einen Schurken haben, sondern drei. Und ich warne Sie, junger Mann (der eingebildete Zuhörer war besonders jung und unerfahren), ich warne Sie! Es wird sich viel in der nächsten Zukunft ereignen. Es wäre am klügsten, sich an den Abenden zu Hause aufzuhalten. Das hier wird sicher ein Kampf auf Leben und Tod, und jemand, der es nicht gewohnt ist, mit der Hefe und dem Abschaum der Menschheit umzugehen, der kann sich dabei leicht seine Nerven vollständig ruinieren.«

Herr Blomquist selbst war ja so daran gewöhnt, mit der Hefe und dem Abschaum der Menschheit umzugehen, daß sein Ner-vensystem widerstandsfähig genug war. Er nahm die Pfeife aus dem Mund und fuhr fort: »Sie verstehen: Diese beiden Herren hier, Krok und Redig – ja, ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß das natürlich nicht ihre richtigen Namen sind –, also diese beiden feinen Burschen werden Onkel Einar, hm, Einar Lindeberg oder Brane, wie er sich auch mitunter nennt, ordentlich den Kopf heiß machen. Offen gesagt – sein Leben ist in Gefahr!«

»Und welchen Standpunkt werden Sie, Herr Blomquist, in diesem Streit einnehmen?« fragte der Zuhörer achtungsvoll.

»Den Standpunkt der menschlichen Gesellschaft, junger Mann! Wie immer! Selbst wenn es um mein Leben gehen sollte!« Der Meisterdetektiv lächelte wehmütig. Im Interesse der menschlichen Gesellschaft hatte er sich schon tausend Toden ausgesetzt, so daß einmal mehr oder weniger keine Rolle spielte.

Seine Gedanken gingen weiter.

»Aber ich möchte zu gern wissen, was es ist, was sie von Onkel Einar haben wollen«, sagte er zu sich selbst. Und jetzt war er nicht mehr Herr Blomquist, sondern nur Kalle, ein sehr verwirrter kleiner Kalle, der fand, daß das alles ganz unheimlich war.

Da fiel ihm plötzlich die Zeitung ein! Diese Zeitung, die Onkel Einar gleich nach seiner Ankunft gekauft hatte, als sie im Garten der Konditorei saßen! Sie lag in sicherem Verwahr in Kalles linker Schreibtischschublade. Aber Kalle hatte sie damals nicht näher studiert. »Ein unverzeihlicher Fehler«, wies er sich selbst zurecht und sprang auf. Er erinnerte sich, daß Onkel Einar sich über die Seite mit den »Letzten Neuigkeiten« gestürzt hatte. Jetzt kam es nur darauf an, herauszukriegen, was es war, was ihn speziell interessiert hatte.

»Neuer Atombombenversuch« – kaum! »Roher Überfall auf einen alten Mann« – kann es vielleicht das sein? Nein, hier stand ja, daß es zwei junge zwanzigjährige Männer gewesen waren, die einen älteren Herrn überfallen hatten, da er ihnen keine Zigaretten geben wollte. Da konnte Onkel Einar doch nicht gut mit dabeigewesen sein. »Großer Juwelendiebstahl auf Östermalm« – Kalle stieß einen Pfiff aus und las in rasender Eile die Notiz durch.

»Ein großer Juwelendiebstahl fand in der Nacht zum Sonnabend in einer Wohnung in der Banérstraße statt. Die Wohnung, die von einem bekannten Stockholmer Bankier bewohnt wird, stand während der Nacht leer, weshalb die Diebe ganz ungestört operieren konnten. Es wird vermutet, daß sie sich Zutritt verschafft haben, indem sie mit einem Dietrich die Küchentür öffneten. Die Juwelen, die einen Wert von ungefähr hunderttausend Kronen repräsentieren, waren in einem Geldschrank verwahrt, der im Laufe der Nacht, wahrscheinlich zwischen zwei und vier Uhr, aus der Wohnung entfernt wurde. Er wurde am Sonnabendnachmittag in einem Wald, dreißig Kilometer nördlich der Stadt, gesprengt und seines Inhaltes beraubt, wiedergefunden.

Die Einbruchskommission der Kriminalpolizei, die am Sonn-abendmorgen alarmiert wurde, hat noch keine Spur von den Tätern. Man nimmt an, daß mindestens zwei oder noch mehr Personen an dem Coup beteiligt sind, den man als einen der frechsten Diebstähle bezeichnet, die bis jetzt in unserem Land verübt worden sind. Die Kriminalpolizei hat alle Polizeistationen im Lande benachrichtigt, und an allen Häfen und Grenz-

übergängen ist Extrabewachung angeordnet worden, da man vermutet, daß die Täter, um das gestohlene Gut veräußern zu können, genötigt sein werden, sich ins Ausland zu begeben. Unter den gestohlenen Gegenständen befindet sich ein außerordentlich kostbares Platinarmband mit Brillanten, eine große Anzahl Brillantringe, eine Brosche, bestehend aus vier großen Diamanten in Goldeinfassung, ein Perlenkollier aus orientali-schen Perlen und ein schwerer antiker Hängeschmuck aus Gold mit Smaragden.«

»Ich Rindvieh, ich großes, siebenfaches Rindvieh«, sagte Kalle. »Daß ich das nicht begriffen habe! Lord Peter Wimsey und Hercule Poirot hätten das schon längst herausgehabt! Das braucht man weiß Gott ja nur mit Verstand zu lesen!« Er nahm die Perle in die Hand. Wie konnte man wissen, ob eine Perle orientalisch war?

Ein Gedanke schlug plötzlich wie ein Keulenschlag in seinem Kopf ein. »Ich trage es nicht mit mir herum«, hatte Onkel Einar gesagt. Nein, natürlich nicht! Und er, Kalle Blomquist, wußte, wo das alles war, das Armband und die Brillanten und Smaragden und das Platin und wie es sonst noch hieß. In der Schloßruine natürlich! Natürlich in der Schloßruine! Onkel Einar wagte nicht, es bei sich in seinem Zimmer zu haben. Er mußte es an einer sicheren Stelle verstecken. Und der Keller in der Schloßruine war ein guter Platz, da kam niemals ein Mensch hin.

Die Gedanken brausten durch Kalles Kopf. Er mußte zur Ruine gehen und versuchen, alle die Kostbarkeiten zu finden, bevor Onkel Einar dazu kam, sie von dort wegzuholen! O Gott, er mußte ja auch Onkel Einar und die beiden anderen überwachen, so daß er sie im geeigneten Augenblick verhaften konnte!

Wo sollte er die Zeit für das alles hernehmen? Noch dazu mitten im Krieg der Rosen!

Nein, er konnte ohne Mithelfer die Sache nicht bewältigen.

Nicht einmal Lord Peter Wimsey könnte allein damit fertig werden. Er mußte Anders und Eva-Lotte einweihen und sie um ihre Hilfe bitten. Ganz gewiß taten sie ja niemals etwas anderes, als ihn wegen seiner Detektivtätigkeit zu verhöhnen, aber diesmal war es etwas anderes.

Eine kleine innere Stimme sagte Kalle, daß er in diesem Falle seine Mithelfer bei der Polizei suchen sollte, und er wußte, daß die Stimme recht hatte. Aber wenn er nun zur Polizei ging und alles erzählte – würden sie ihm glauben? Würden sie ihn nicht auslachen, wie es erwachsene Menschen zu tun pflegen? Kalle hatte nur traurige Erfahrungen von früheren Versuchen in der Detektivbranche. Keiner wollte glauben, daß man etwas ausrichten konnte, wenn man erst dreizehn Jahre alt war. Nein, er wollte lieber warten, bis er noch mehr Indizien beisammen hatte.

Kalle legte vorsichtig die Perle in den Schubkasten zurück.

Schau, da hatte er ja auch Onkel Einars Fingerabdruck! Wer weiß, wann er ihm zustatten kommen würde. Er war froh, daß er so vorsorglich gewesen war, sich den zu verschaffen.

»Die Polizei hat noch keine Spur von den Tätern«, hatte in der Zeitung gestanden Na ja, das war ja das übliche! Aber vielleicht war es ihr gelungen, sich einige Fingerabdrücke am Tatort zu sichern! Fingerabdrücke! Wenn ein Einbrecher schon früher mit der Polizei in Konflikt gekommen war, dann befanden sich seine Fingerabdrücke im Polizeiregister, und dann brauchte man sie nur mit denen zu vergleichen, die man am Tatort gefunden hatte, und die Sache war klar! Da konnte man im Handumdrehen sagen: »Diesen Einbruch hat Friedrich mit dem Fuß begangen!« Ja natürlich nur, wenn es Friedrichs Fingerabdrücke waren, die man fand. Aber es konnte auch sein, daß von dem, der den Einbruch verübt hatte, keine Fingerabdrücke im Polizeiregister waren, und dann machte die Sache schon weniger Spaß.

Aber hier saß nun Kalle mit dem Abdruck von Onkel Einars Daumen auf einem Stück Papier, einem sehr deutlichen und guten Abdruck. Und langsam entwickelte sich ein Gedanke in ihm.

Man könnte ja der armen Polizei etwas auf die Sprünge helfen, da sie »jede Spur der Täter vermißte«. Wenn es sich nun wirklich um den Einbruch in der Banérstraße handelte, an dem Onkel Einar mit beteiligt war – seiner Sache absolut sicher war Kalle natürlich nicht, aber die Indizien wiesen darauf hin –, dann würde die Stockholmer Polizei vielleicht gern das kleine Stück Papier mit Onkel Einars Daumenabdruck haben wollen.

Kalle holte Papier und Federhalter hervor. Und dann schrieb er: »An die Kriminalpolizei Stockholm.«

Er kaute eine Weile am Federhalter. Jetzt kam es darauf an, so zu schreiben, daß sie glaubten, es sei ein Erwachsener, der den Brief geschrieben hatte. Sonst warfen sie wahrscheinlich den Brief in den Papierkorb, die Dummköpfe! Kalle schrieb weiter:

»Wie aus den Zeitungen hervorgeht, scheint ein Einbruch dort in der Banérstraße gewesen zu sein. Nachdem Sie sich vielleicht ein paar Fingerabdrücke gesichert haben, schicke ich hiermit einen dito in der Hoffnung, daß er mit einem von Ihren übereinstimmt. Weitere Aufklärungen liefert gratis und franko

Karl Blomquist, Privatdetektiv

Adr.: Hauptstraße 14, Kleinköping.«

Er zögerte etwas, bevor er »Privatdetektiv« hinschrieb. Aber dann dachte er, daß die Stockholmer Polizei ihn ja niemals zu sehen bekommen würde, und da konnte sie ebensogut glauben, daß der Brief von Herrn Blomquist, Privatdetektiv, geschrieben worden war und nicht von Kalle, dreizehn Jahre alt.

»So«, sagte Kalle und klebte den Briefumschlag zu.

Und jetzt schnell zu Anders und Eva-Lotte.