"Das Testament der Götter" - читать интересную книгу автора (Жак Кристиан)
Sehet, was die Ahnen vorausgesagt haben, ist eingetreten: Das Verbrechen hat sich ausgebreitet, Gewalt ist in die Herzen eingezogen, das Unheil zieht durch das Land, Blut flie#223;t, der Dieb bereichert sich, das L#228;cheln ist erloschen, die Geheimnisse sind allen preisgegeben, die B#228;ume sind entwurzelt, die Pyramide ist gesch#228;ndet worden, die Welt ist so tief gesunken, da#223; eine kleine Zahl von Toren sich des K#246;nigtums bem#228;chtigt hat und die Richter davongejagt wurden. Doch entsinne dich der Achtung der Maat, der rechten Folge der Tage, der gl#252;cklichen Zeit, in der die Menschen Pyramiden bauten und Haine f#252;r die G#246;tter gedeihen lie#223;en, jener gesegneten Zeit, in der eine einfache Matte die Bed#252;rfnisse eines jeden befriedigte und ihn gl#252;cklich machte. Mahnworte des Weisen Ipu-we
12. Kapitel
Der Schattenfresser[32] bewegte sich wie eine Katze durch die Nacht. V#246;llig lautlos allen Hindernissen ausweichend, schlich er sich die Mauern entlang und verschmolz mit der Finsternis. Niemand konnte sich r#252;hmen, ihn bemerkt zu haben. Und wer k#246;nnte ihn verd#228;chtigen?
Das #228;rmste aller Viertel von Memphis war eingeschlummert. Hier fanden sich weder T#252;rh#252;ter noch W#228;chter wie vor den reichen Herrenh#228;usern. Der Mann verbarg sein Gesicht hinter einer Schakalmaske aus Holz[33] mit beweglichem Unterkiefer und drang in die Behausung der Gemahlin des Oberaufsehers des Sphinx.
Wenn er einen Befehl erhielt, f#252;hrte er ihn widerspruchslos aus; zu lange schon war jedes Gef#252;hl aus seinem Herzen verschwunden. Er, der menschliche Falke[34], tauchte aus der Dunkelheit hervor, aus der er seine Kraft sch#246;pfte. Die alte Frau fuhr aus dem Schlaf auf, der Anblick des Grauens nahm ihr den Atem. Sie stie#223; einen markersch#252;tternden Schrei aus und sank tot zusammen. Der T#246;ter hatte nicht einmal eine Waffe gebrauchen und sein Verbrechen verschleiern m#252;ssen. Die Schwatzbase w#252;rde nicht mehr reden.
Der Heerf#252;hrer Ascher hieb dem Anw#228;rter mit der Faust in den R#252;cken; der Krieger brach im staubigen Hof der Kaserne zusammen. »Weichlinge verdienen kein besseres Geschick.« Ein Bogensch#252;tze trat aus den Reihen. »Er hatte keinen Fehler begangen, Heerf#252;hrer.«
»Du, du redest zuviel; verla#223; augenblicklich die #220;bung. F#252;nfzehn Tage versch#228;rfte Haft und ein langer Aufenthalt in der Feste des S#252;dens werden dich Zucht und Gehorsam lehren.« Der Heerf#252;hrer befahl der Schar einen einst#252;ndigen Lauf mit Bogen, K#246;chern, Schilden und Vorratsbeuteln; falls sie ins Feld z#246;gen, w#252;rden ihnen rauhere Bedingungen begegnen. Wenn einer der Krieger ersch#246;pft innehielt, zog er ihn an den Haaren und zwang ihn, sich schnellstens wieder einzugliedern. Die R#252;ckf#228;lligen sollten im Kerker verk#252;mmern. Ascher hatte gen#252;gend Erfahrung, um zu wissen, da#223; allein eine unerbittliche Ausbildung zum Sieg f#252;hrte; jedes durchgestandene Leiden, jede beherrschte Bewegung verschaffte dem Streiter eine zus#228;tzliche Aussicht zu #252;berleben. Nach einer reichlich erf#252;llten Laufbahn auf den Schlachtfeldern Asiens war Ascher, ein Held aufsehenerregender Gro#223;taten, zum Verwalter der Pferde, Vorsteher der Jungkrieger und Ausbilder in der Hauptkaserne von Memphis ernannt worden. Mit grimmigem Vergn#252;gen huldigte er diesem Amt ein letztes Mal; seine k#252;rzliche Ernennung, die am Vortag #246;ffentlich bekanntgemacht worden war, w#252;rde ihn in Zukunft von dieser M#252;hsal befreien. In seiner Eigenschaft als PHARAOS Abgesandter f#252;r fremde L#228;nder w#252;rde er die k#246;niglichen Befehle den an den Grenzen aufgestellten Sonderverb#228;nden #252;bermitteln, k#246;nnte Seiner Hoheit als Wagenlenker dienen und die Stellung des Bannertr#228;gers zu dessen Rechten einnehmen. Ascher war kleingewachsen und besa#223; ein unangenehmes #196;u#223;eres: kurzgeschorenes Haupthaar, mit schwarzen, starren Haaren bedeckte Schultern, breiter Brustkorb, kurze muskul#246;se Beine. Eine Narbe lief quer #252;ber seine Brust, von der Schulter bis zum Nabel, das Andenken einer Klinge, die ihm fast das Leben verk#252;rzt h#228;tte. Von einem nicht zu erstickenden Gel#228;chter gesch#252;ttelt, hatte er seinen damaligen Angreifer mit blo#223;en H#228;nden erw#252;rgt. Sein von Falten zerfurchtes Gesicht glich dem eines Nagetiers. Nach diesem allerletzten Morgen in seiner bevorzugten Kaserne dachte Ascher bereits an das zu seinen Ehren ausgerichtete Festmahl. Er wandte sich gerade zu den Schwallbads#228;len, als ein Verbindungsoffizier ihn mit aller geb#252;hrenden H#246;flichkeit ansprach. »Verzeiht mir, Euch zu bel#228;stigen, Heerf#252;hrer; ein Richter w#252;nscht Euch zu sprechen.«
»Wer ist es?«
»Nie gesehen.«
»Weist ihn h#246;flich ab.«
»Er gibt vor, es sei dringend und ernst.«
»Der Grund?«
»Vertraulich. Betrifft nur Euch.«
»F#252;hrt ihn her.«
Paser wurde in die Mitte des Hofes gebracht, wo der Heerf#252;hrer, die H#228;nde hinterm R#252;cken verschr#228;nkt, breitbeinig seiner harrte. Zu seiner Linken ert#252;chtigten sich Jungkrieger bei Kr#228;ftigungs#252;bungen; zu seiner Rechten wurde Bogenschie#223;en erlernt. »Euer Name?«
»Paser.«
»Ich verabscheue Richter.«
»Was werft Ihr ihnen vor?«
»Sie st#246;bern #252;berall herum.«
»Ich untersuche eine Vermi#223;tenangelegenheit.«
»Ausgeschlossen bei den Verb#228;nden, die unter meinem Befehl stehen.«
»Selbst bei der Ehrenwache des Sphinx?«
»Heer bleibt Heer, selbst wenn es sich um seine Altgedienten k#252;mmert. Die Bewachung des Sphinx ist ohne Fehl erf#252;llt worden.«
»Seiner Gattin zufolge soll der ehemalige Oberaufseher tot sein; gleichwohl verlangt die F#252;hrung von mir, seine Versetzung von Rechts wegen zu best#228;tigen.«
»Nun denn, best#228;tigt sie! Man ficht die Weisungen der F#252;hrung nicht an.«
»In dem vorliegenden Fall doch.« Der Heerf#252;hrer br#252;llte auf.
»Ihr seid jung und unerfahren. Macht Euch davon.«
»Ich stehe nicht unter Eurem Befehl, Heerf#252;hrer, und ich will die Wahrheit #252;ber diesen Oberaufseher wissen. Ihr wart es doch, der ihn in diese Stellung berufen hat?«
»Gebt gut acht, kleiner Richter: Man bel#228;stigt Heerf#252;hrer Ascher nicht!«
»Ihr steht nicht #252;ber dem Gesetz.«
»Ihr wi#223;t nicht, wer ich bin. Ein falscher Schritt mehr, und ich zerquetsche Euch wie Ungeziefer.« Ascher lie#223; Paser mitten auf dem Hof zur#252;ck. Seine heftige Regung #252;berraschte den Richter; weshalb f#252;hrte er sich so auf, wenn er sich doch nichts vorzuwerfen hatte?
Als Paser darauf durch die Pforte der Kaserne schritt, rief der mit Strafhaft belegte Bogensch#252;tze ihn an.
»Richter Paser …«
»Was wollt Ihr?«
»Vielleicht kann ich Euch helfen; wonach sucht Ihr?«
»Ich ben#246;tige Ausk#252;nfte #252;ber den ehemaligen Oberaufseher des Sphinx.«
»Seine Dienstunterlagen sind in der Schriftenkammer der Kaserne abgelegt; folgt mir.«
»Weshalb tut Ihr das?«
»Falls Ihr einen belastenden Hinweis gegen Ascher findet, werdet Ihr ihn dann anklagen?«
»Ohne Z#246;gern.«
»Dann kommt. Der Schriftenverwahrer ist ein Freund; auch er ha#223;t den Heerf#252;hrer.« Der Bogensch#252;tze und der Schriftenverwahrer f#252;hrten ein kurzes Zwiegespr#228;ch. »Um in die Schriftenkammer der Kaserne Einsicht nehmen zu k#246;nnen«, merkte letzterer an, »brauchtet Ihr eine Erlaubnis vom Amt des Wesirs. Ich entferne mich f#252;r eine Viertelstunde, um mir mein Mahl im Haus der Speisung zu holen. Falls Ihr noch im Raum seid, wenn ich zur#252;ckkehre, werde ich gezwungen sein, Meldung zu machen.«
F#252;nf Minuten waren n#246;tig, um die Ablageordnung zu verstehen, drei weitere, um Hand an die richtige Papyrusrolle zu legen, der Rest der Zeit, um das Schriftst#252;ck zu lesen, es sich einzupr#228;gen, wieder einzuordnen und zu verschwinden.
Die Laufbahn des Oberaufsehers war beispielhaft: Nicht der geringste Schatten lag darauf. Der Schlu#223; des Papyrus bot eine beachtenswerte Kunde: Der Altgediente f#252;hrte eine Rotte von vier Mann an; die beiden #228;ltesten waren zu beiden Seiten des Sphinx und die beiden anderen am Fu#223;e des gro#223;en, zur Pyramide des Chephren f#252;hrenden Aufwegs au#223;erhalb der Umfriedung aufgestellt worden. Da er ihre Namen kannte, w#252;rde ihre Befragung ihn wahrscheinlich der L#246;sung des R#228;tsels n#228;herbringen. Ersch#252;ttert trat Kem ins Amtszimmer. »Sie ist tot.«
»Von wem redet Ihr?«
»Von der Witwe des W#228;chters. Ich habe heute morgen einen Rundgang durch das Viertel gemacht; T#246;ter hat etwas Ungew#246;hnliches bemerkt. Die Haust#252;r stand einen Spalt offen. Ich habe die Leiche entdeckt.«
»Spuren von Gewalt?«
»Nicht die geringsten. Sie ist dem Alter und dem Kummer erlegen.«
Paser forderte seinen Gerichtsschreiber auf, sich zu versichern, da#223; das Heer sich um die Bestattung k#252;mmern w#252;rde; falls dem nicht so w#228;re, wollte der Richter selbst f#252;r die Kosten aufkommen. Hatte er, ohne f#252;r das Hinscheiden der armen Frau verantwortlich zu sein, nicht ihre letzten Tage getr#252;bt?
»Seid Ihr weitergekommen?« fragte Kem. »In entscheidender Weise, hoffe ich; allerdings hat Heerf#252;hrer Ascher mir kaum geholfen. Hier habt Ihr die vier Namen der unter dem Befehl des Oberaufsehers stehenden Altgedienten; ermittelt ihren Aufenthaltsort.«
Der Gerichtsschreiber Iarrot traf in dem Augenblick ein, da der Nubier aufbrach. »Meine Frau setzt mir #252;bel zu«, gestand Iarrot mit zerknirschtem Gesicht. »Gestern hat sie sich geweigert, das Nachtmahl zuzubereiten! Wenn das so weitergeht, wird sie mir ihr Lager verbieten. Zum Gl#252;ck tanzt meine Tochter zusehends besser.« Schmollend und brummig begann er, die Tontafeln widerwillig zu ordnen.
»Beinahe h#228;tte ich es vergessen … ich habe mich mit den Handwerkern befa#223;t, die in der Werft arbeiten m#246;chten. Ein einziger beunruhigt mich.«
»Ein Straft#228;ter?«
»Jemand, der in einen Schleichhandel mit Amuletten verwickelt war.«
»Fr#252;here Vorf#228;lle?« Iarrot setzte eine zufriedene Miene auf. »Sie d#252;rften Eure Aufmerksamkeit wecken. Er #252;bte bisweilen den Beruf eines Schreiners aus; er wurde als Verwalter auf den L#228;ndereien des Zahnheilkundlers Qadasch besch#228;ftigt.«
In Qadaschs Wartezimmer, in das er nicht ohne Schwierigkeit vorgelassen worden war, sa#223; Paser neben einem recht verkrampften Mann von kleinem Wuchs. Sein schwarzes, sorgf#228;ltig geschnittenes Haupt- und Schnurrbarthaar, seine matte Haut und sein herbes, l#228;ngliches, von Muttermalen #252;bers#228;tes Gesicht verliehen ihm ein d#252;steres und abweisendes #196;u#223;eres.
Der Richter gr#252;#223;te ihn.
»Ein beschwerlicher Augenblick, nicht wahr?« Der kleine Mann stimmte zu. »Leidet Ihr sehr?«
Er antwortete mit einer ausweichenden Handbewegung.
»Mein erster bohrender Zahnschmerz«, gestand Paser. »Seid Ihr schon einmal von einem Zahnheilkundigen behandelt worden?« Qadasch erschien.
»Richter Paser! Solltet Ihr leidend sein?«
»Leider, ja!«
»Kennt Ihr Scheschi?«
»Ich hatte noch nicht die Ehre.«
»Scheschi ist einer der gl#228;nzendsten Wissenschaftler des Palastes; auf dem Gebiet der Stoff- und Metallkunde kann ihm niemand etwas streitig machen. Deshalb gebe ich bei ihm Heilmittel und F#252;llungen in Auftrag; er ist #252;brigens gerade gekommen, um mir eine Neuigkeit anzubieten. Seid beruhigt, es wird nicht lange dauern.«
Trotz seiner Sprachhemmung hatte Qadasch sich etwas eilfertig gegeben, als ob er einen langj#228;hrigen Freund empfinge. Wenn besagter Scheschi weiterhin derart wortkarg bliebe, drohte seine Unterredung mit dem Praktiker kurz zu werden. In der Tat holte der Zahnheilkundler den Richter ungef#228;hr zehn Minuten sp#228;ter ab.
»Setzt Euch in diesen Faltsessel und lehnt den Kopf zur#252;ck.«
»Er ist nicht gespr#228;chig, Euer Forscher.«
»Ein eher verschlossenes Wesen, aber ein aufrichtiger Mensch, auf den man bauen kann. Was ist Euch geschehen?«
»Ein unbestimmter Schmerz.«
»La#223;t uns das mal sehen.«
Qadasch bediente sich eines Spiegels und nutzte einen Sonnenstrahl, um Pasers Gebi#223; zu untersuchen. »Habt Ihr bereits einen Berufsgenossen aufgesucht?«
»Einmal, in meinem Dorf. Einen fahrenden Zahnheilkundigen.«
»Ich sehe eine winzige Zahnf#228;ule. Ich werde den Zahn mit einer wirksamen F#252;llung festigen: Terebinthenharz[35], nubische Erde, Honig, M#252;hlsteinsplitter, gr#252;ner Augentrost und Kupferteilchen. Falls er wackelt, werde ich ihn mit einem feinen Golddraht an dem benachbarten Backenzahn befestigen … Nein, das wird nicht notwendig sein. Ihr habt ein gesundes und kr#228;ftiges Gebi#223;. Hingegen solltet Ihr auf Euer Zahnfleisch achten. Gegen den Eiterflu#223; verordne ich Euch eine Mundsp#252;lung aus Koloquinte, Gummi, Anis und eingeschnittenen Sykomorenfeigen; Ihr werdet sie eine ganze Nacht drau#223;en lassen, damit sie sich mit Tau s#228;ttigt. Ebenso werdet Ihr Euer Zahnfleisch mit einem Brei aus Cinnamomum, Honig, Gummi und #214;l einreiben. Und verge#223;t nicht, h#228;ufig Sellerie zu kauen; er ist nicht allein eine belebende und den Hunger anregende Pflanze, sondern st#228;rkt auch noch die Z#228;hne. Doch la#223;t uns nun ernsthaft miteinander reden; Euer Zustand erforderte keine dringende Behandlung. Weshalb w#252;nschtet Ihr mich ohne Verzug zu sehen?«
Gl#252;cklich, den verschiedenen Ger#228;tschaften zu entgehen, deren sich der Zahnheilkundige #252;blicherweise bediente, stand Paser auf. »Euer Verwalter.«
»Ich habe diesen Unf#228;higen entlassen.«
»Ich wollte #252;ber den vorherigen sprechen.« Qadasch wusch sich die H#228;nde. »An den erinnere ich mich nicht mehr.«
»Strengt bitte Euer Ged#228;chtnis an.«
»Nein, wahrlich …«
»Seid Ihr Sammler von Amuletten[36]?« Obgleich mit aller Sorgfalt gereinigt, blieben die H#228;nde des Zahnheilkundigen rot. »Ich besitze einige davon, wie ein jeder von uns, doch ich messe ihnen kaum Bedeutung bei.«
»Die sch#246;nsten haben einen gro#223;en Wert.«
»Ohne Zweifel …«
»Euer ehemaliger Verwalter besa#223; eine Vorliebe f#252;r sie; er hat sogar einige sch#246;ne St#252;cke gestohlen. Daher meine Besorgnis: Solltet Ihr sein Opfer gewesen sein?«
»Es gibt mehr und mehr Diebe, da es mehr und mehr Fremde in Memphis gibt. Bald wird diese Stadt nicht mehr #228;gyptisch sein. Mit seinem besessenen Drang nach Rechtschaffenheit ist der Wesir Bagi der eigentliche Verantwortliche. PHARAO hat derart gro#223;es Vertrauen in ihn, da#223; niemand ihn zu tadeln wagt. Und Ihr noch weniger als alle anderen, da er Euer Gebieter ist. Zum Gl#252;ck erspart Euch Euer niederer Rang in der Verwaltung, ihm zu begegnen.«
»Ist er so furchterregend?«
»Unerbittlich; die Richter, die dies vergessen haben, wurden abgesetzt, weil sie allesamt Verfehlungen begangen hatten. Indem er es ablehnt, die Fremden unter dem Vorwand der Gerechtigkeit auszuweisen, verdirbt der Wesir das Land. Habt Ihr meinen ehemaligen Verwalter verhaftet?«
»Er versuchte, sich in der Werft einstellen zu lassen, aber eine der #252;blichen #220;berpr#252;fungen hat seine Vergangenheit ans Licht gebracht. Eine in Wahrheit traurige Geschichte; er ver#228;u#223;erte in einer Werkstatt entwendete Amulette, ist angezeigt und von seinem Nachfolger, den Ihr ausgew#228;hlt habt, fortgejagt worden.«
»In wessen Auftrag hat er gestohlen?«
»Das ist mir nicht bekannt. Wenn ich Zeit h#228;tte, w#252;rde ich nachforschen; ich verf#252;ge jedoch #252;ber keine Spur, und derart viele andere Dinge besch#228;ftigen mich! Die Hauptsache ist, da#223; Ihr unter seiner Unversch#228;mtheit nicht gelitten habt. Seid gedankt f#252;r Eure Bem#252;hungen, Qadasch.«
Der Vorsteher der Ordnungskr#228;fte hatte seine wichtigsten Gehilfen zu sich gerufen; diese Arbeitszusammenkunft sollte in keinem amtlichen Schriftst#252;ck erw#228;hnt werden. Monthmose hatte ihre Berichte #252;ber den Richter Paser studiert.
»Kein verborgenes Laster, keine unstatthafte Leidenschaft, keine Geliebte, kein Netz von Verbindungen … Ihr vermittelt mir das Bild eines Halbgottes! Eure Erkundigungen sind hohl.«
»Sein geistiger Vater, ein Mann namens Branir, wohnt in Memphis; Paser begibt sich h#228;ufig zu ihm.«
»Ein alter Arzt im Ruhestand, harmlos und ohne Macht!«
»Er hatte einst Geh#246;r bei Hofe«, wandte ein Ordnungsh#252;ter ein.
»Er hat es seit langer Zeit verloren«, sp#246;ttelte Monthmose.
»Kein Dasein ist frei von Schatten; das von Paser nicht mehr als andere!«
»Er widmet sich ganz seinem Beruf«, bekr#228;ftigte ein anderer Ordnungsh#252;ter, »und weicht vor Pers#246;nlichkeiten wie Denes und Qadasch nicht zur#252;ck.«
»Ein unbestechlicher und mutiger Richter: Wer soll an diese M#228;r glauben? Arbeitet ernsthafter und bringt mir wahrscheinlichere Ausk#252;nfte.« Am Rand des Teiches, in dem er zu fischen liebte, hing Monthmose seinen Gedanken nach. Er versp#252;rte das unangenehme Gef#252;hl, eine ihm entgleitende Lage mit vagen Umrissen nicht in den Griff zu bekommen, und f#252;rchtete, einen Fehler zu begehen, der seinen guten Ruf tr#252;ben k#246;nnte. War Paser ein reiner, in den Sumpf von Memphis verirrter Tor oder aber ein Mann mit festen Grunds#228;tzen au#223;erhalb des Gew#246;hnlichen, der entschlossen war, unbeirrt und gerade seinen Weg zu gehen, ohne sich um Gefahren und Feinde zu sorgen? In beiden F#228;llen war er zum Scheitern verurteilt. Blieb noch eine dritte, #228;u#223;erst besorgniserregende M#246;glichkeit: da#223; der kleine Richter Gesandter eines anderen w#228;re, eines abgefeimten H#246;flings an der Spitze einer Machenschaft, von der Paser lediglich das sichtbare Werkzeug w#228;re. Voller Wut bei dem Gedanken, da#223; ein Unbesonnener es wagen k#246;nnte, ihn auf seinem eigenen Gebiet herauszufordern, rief Monthmose nach seinem Verwalter und befahl ihm, sein Pferd und seinen Wagen zu schirren. Eine Hasenjagd in der W#252;ste dr#228;ngte sich geradezu auf; ein paar in Panik geratene Tiere zu t#246;ten, w#252;rde seine Nerven entspannen.