"Das Testament der Götter" - читать интересную книгу автора (Жак Кристиан)

Sehet, was die Ahnen vorausgesagt haben, ist eingetreten: Das Verbrechen hat sich ausgebreitet, Gewalt ist in die Herzen eingezogen, das Unheil zieht durch das Land, Blut flie#223;t, der Dieb bereichert sich, das L#228;cheln ist erloschen, die Geheimnisse sind allen preisgegeben, die B#228;ume sind entwurzelt, die Pyramide ist gesch#228;ndet worden, die Welt ist so tief gesunken, da#223; eine kleine Zahl von Toren sich des K#246;nigtums bem#228;chtigt hat und die Richter davongejagt wurden. Doch entsinne dich der Achtung der Maat, der rechten Folge der Tage, der gl#252;cklichen Zeit, in der die Menschen Pyramiden bauten und Haine f#252;r die G#246;tter gedeihen lie#223;en, jener gesegneten Zeit, in der eine einfache Matte die Bed#252;rfnisse eines jeden befriedigte und ihn gl#252;cklich machte.
Mahnworte des Weisen Ipu-we

13. Kapitel

Sethis rechte Hand glitt den R#252;cken seiner Geliebten hinauf, liebkoste ihren Hals, glitt wieder hinab und streichelte ihre Lenden. »Mehr«, flehte sie.

Der junge Mann lie#223; sich nicht weiter bitten. Er liebte es, Lust zu spenden. Seine Hand wurde dr#228;ngender.

»Nein … ich will nicht!«

Sethi machte weiter, sanft und beharrlich wie eine Katze; er kannte die Vorlieben seiner Gef#228;hrtin und befriedigte sie ohne jede Zur#252;ckhaltung. Sie schien zu widerstreben, drehte sich dann um und #246;ffnete sich, um ihren Liebhaber zu empfangen. »Bist du froh mit deinem Hahn?«

»Die H#252;hner sind entz#252;ckt. Du bist ein Segen, mein Liebling.«

Vollauf begl#252;ckt bereitete die Besitzerin des Gefl#252;gelhofs darauf ein kr#228;ftiges Mahl und entrang ihm das Versprechen, anderntags wiederzukommen. Bei Einbruch der Nacht, nachdem er zwei Stunden im Hafen, im Schatten eines Frachtschiffs, geschlafen hatte, begab sich Sethi zu Paser. Der Richter hatte die Lampen angez#252;ndet und schrieb im Schneidersitz, den Hund an seinem linken Bein. Wind des Nordens lie#223; Sethi durch, der ihn zum Dank streichelte. »Ich f#252;rchte, da#223; ich dich brauche«, sagte der Richter.

»Eine Liebesangelegenheit?«

»Recht unwahrscheinlich.«

»Es handelt sich aber doch nicht um verdeckte oder unerlaubte Ma#223;nahmen?«

»Ich f#252;rchte doch.«

»Gef#228;hrliche?«

»W#228;re m#246;glich.«

»Da bin ich gespannt. Kann ich mehr dar#252;ber erfahren, oder schickst du mich blind los?«

»Ich habe einem Zahnheilkundler namens Qadasch eine Falle gestellt.«

Sethi stie#223; einen bewunderungsvollen Pfiff aus. »Eine Ber#252;hmtheit! Er behandelt nur Reiche. Wessen ist er schuldig?«

»Sein Verhalten befremdet mich. Ich h#228;tte mich der Dienste meines nubischen Ordnungsh#252;ters bedienen sollen, aber der ist anderweitig besch#228;ftigt.«

»Soll ich bei ihm einbrechen?«

»Was f#252;r ein Gedanke! Du sollst lediglich Qadasch folgen, sobald er sein Heim verl#228;#223;t und sich sonderbar verh#228;lt.«

Sethi klomm in eine Persea hinauf, von der aus er die Eingangshalle von Qadaschs Herrenhaus und den Gesindeeingang #252;berblickte. Dieser erholsame Abend mi#223;fiel ihm nicht, endlich allein, w#252;rde er die Nachtluft und die Sch#246;nheit des Himmels genie#223;en. Nachdem die Lampen gel#246;scht waren und Stille #252;ber dem gro#223;en Anwesen lag, schlich sich ein Schatten durch die T#252;r der Stallungen nach drau#223;en. Der Mann hatte sich mit einem Mantel bekleidet; das wei#223;e Haar und die Gestalt entsprachen denen des Zahnheilkundigen, so wie Paser ihn beschrieben hatte.

Die Verfolgung war leicht. Wenn er auch recht unruhig wirkte, ging Qadasch langsam und drehte sich nicht um. Er wandte sich in Richtung eines noch im Aufbau befindlichen Viertels. Alte, bauf#228;llige Verwaltungsgeb#228;ude waren dort abgerissen worden; eine Anh#228;ufung von Ziegeln versperrte die Stra#223;e. Der Zahnheilkundige umging einen Berg Tr#252;mmer und verschwand. Sethi kletterte hinauf, wobei er achtgab, keinen Stein herunterkullern zu lassen, der seine Anwesenheit verraten h#228;tte. Oben angekommen, ersp#228;hte er ein Feuer, um das sich drei M#228;nner, darunter Qadasch, versammelt hatten.

Unversehens nahmen sie ihre #220;berw#252;rfe ab und standen nackt da, mit Ausnahme eines ledernen Futterals, das ihren Penis verh#252;llte; in ihr Haar steckten sie drei Federn. Dann, ein kurzes Wurfholz[37] in jeder Hand, begannen sie zu tanzen und t#228;uschten dabei vor, sich anzugreifen. Qadaschs j#252;ngere Gef#228;hrten beugten mit einem Mal die Knie und sprangen hoch, indem sie einen unmenschlichen Schrei ausstie#223;en. Wenn er auch gewisse M#252;he hatte, dem Takt zu folgen, bekundete der Zahnheilkundige doch beachtliche Begeisterung.

Der Tanz dauerte mehr als eine Stunde an; pl#246;tzlich nahm einer der Mitwirkenden das Lederfutteral ab und zeigte, sogleich von seinen Freunden nachgeahmt, seine M#228;nnlichkeit vor. Da Qadasch Zeichen von M#252;digkeit #228;u#223;erte, gaben sie ihm Palmwein zu trinken und zogen ihn dann erneut in einen tollen Reigen hinein.


Paser hatte Sethis Bericht mit der allergr#246;#223;ten Aufmerksamkeit gelauscht. »Sonderbar.«

»Du kennst die libyschen Br#228;uche nicht; diese Art von Feier ist ganz und gar bezeichnend.«

»Und ihr Zweck?«

»M#228;nnlichkeit, Fruchtbarkeit, Verf#252;hrungskraft … Aus dem Tanz sch#246;pfen sie neue Energien. Qadasch scheint diese jedoch nur schwer empfangen zu k#246;nnen.«

»Unser Zahnheilkundiger m#252;#223;te sich demnach geschw#228;cht f#252;hlen.«

»Nach dem, was ich beobachtet habe, trifft das zu. Aber was ist ungesetzlich an seinem Verhalten?«

»Auf den ersten Blick nichts; aber er, der vorgibt, alle Fremden zu verabscheuen, vergi#223;t keineswegs seine libyschen Wurzeln und vertieft sich in Br#228;uche, die die feine Gesellschaft, die seine Kundschaft ausmacht, heftig mi#223;billigen w#252;rde.«

»Bin ich denn wenigstens n#252;tzlich gewesen?«

»Unersetzlich.«

»Das n#228;chste Mal, Richter Paser, la#223; mich einen Frauentanz auskundschaften.«


Voller #220;berzeugungskraft hatten Kem und der dienstbare Pavian Memphis und dessen Vorst#228;dte in alle Richtungen durchstreift, um die vier Untergebenen des verschwundenen Oberaufsehers aufzufinden. Der Nubier hatte den Aufbruch des Gerichtsschreibers abgewartet, um sich dann mit dem Richter zu besprechen; Iarrot machte keinen sonderlich vertrauenerweckenden Eindruck auf ihn. Als der gro#223;e Affe in das Amtszimmer trat, fl#252;chtete Brav sich unter den Stuhl seines Herrn. »Schwierigkeiten, Kem?«

»Ich habe die Wohnorte herausbekommen.«

»Gewaltlos?«

»Nicht die leiseste Spur von Grobheit.«

»Ab morgen werden wir die vier Zeugen befragen.«

»Sie sind verschwunden.« Verbl#252;fft legte Paser seinen Pinsel nieder. Er hatte sich nicht vorstellen k#246;nnen, den Deckel eines Kessels voller R#228;tsel anzuheben, nur weil er nicht so ohne weiteres ein gew#246;hnliches Verwaltungsschriftst#252;ck unterzeichnen wollte. »Keinerlei F#228;hrten?«

»Zwei sind fortgezogen, um im Delta zu leben, zwei leben im thebanischen Bezirk. Ich habe die Namen der Ortschaften.«

»Bereitet Euren Reisebeutel vor.«


Paser wollte den Abend bei seinem Lehrmeister verbringen.

Als er sich dorthin begab, hatte er das Gef#252;hl, verfolgt zu werden; er verlangsamte den Schritt, drehte sich zwei- oder dreimal um, sah jedoch den Mann nicht, den er erahnt zu haben glaubte. Zweifellos hatte er sich get#228;uscht.

Jetzt sa#223; er Branir auf der Terrasse der blumengeschm#252;ckten Wohnung gegen#252;ber, kostete das frische Bier und lauschte dem einschlummernden Atem der gro#223;en Stadt. Hier und da verrieten Lichter Nachtmenschen, die noch nicht schliefen, oder gesch#228;ftige Schreiber.

In Branirs Gegenwart hielt die Welt inne; Paser h#228;tte diesen Augenblick gern wie ein Kleinod bewahrt, ihn zwischen seinen H#228;nden festgehalten, um so zu verhindern, da#223; er sich in der Schw#228;rze der Zeit aufl#246;ste. »Hat Neferet ihre neue Bestallung erhalten?«

»Noch nicht, aber das steht unmittelbar bevor. Sie bewohnt eine Kammer in der Schule der Heilkunde.«

»Wer entscheidet dar#252;ber?«

»Eine Versammlung von Praktikern, die der Oberste Arzt Neb-Amun leitet. Neferet wird dazu berufen werden, ein eher leichtes Amt zu bekleiden; die Schwierigkeit ihrer Aufgaben wird dann mit der Erfahrung zunehmen. Du erscheinst mir noch immer so d#252;ster, Paser; man k#246;nnte schw#246;ren, du h#228;ttest deine Lebensfreude verloren.« Paser fa#223;te die Ereignisse zusammen. »Viele verwirrende Zuf#228;lligkeiten, nicht wahr?«

»Was vermutest du?«

»Noch zu fr#252;h, um mich dar#252;ber zu #228;u#223;ern. Ein Versto#223; ist begangen worden, das ist gewi#223;; doch welcher Art und von welchem Ausma#223;? Ich bin besorgt, vielleicht ohne Grund; bisweilen zaudere ich fortzufahren, doch ich kann, so gering meine Verantwortlichkeit auch sein mag, den Vorgang nicht billigen, will ich mit meinem Gewissen in Einklang sein.«

»Das Herz entwirft die Vorhaben und leitet den Menschen; was das Gem#252;t anbelangt, so h#228;lt es das Erreichte fest und bewahrt die Vorstellungen des Herzens.« [38]

»Mein Gem#252;t wird nicht schwach sein; was ich wahrgenommen habe, werde ich weiter erforschen.«

»Verliere nie das Gl#252;ck #196;gyptens aus den Augen, bek#252;mmere dich nicht um dein Wohlbefinden. Wenn deine Handlung gerecht ist, wird es sich zus#228;tzlich einstellen.«

»Wenn man das Verschwinden eines Menschen hinnimmt, ohne sich aufzulehnen, wenn ein amtliches Schriftst#252;ck einer L#252;ge gleichkommt, ist dann die Erhabenheit #196;gyptens nicht bedroht?«

»Deine Bef#252;rchtungen sind begr#252;ndet.«

»Wenn Euer Geist mit dem meinen ist, werde ich den schlimmsten Gefahren trotzen.«

»An Mut mangelt es dir nicht; werde scharfsichtiger und wisse manche Hindernisse zu meiden. Dich von vorn darauf zu st#252;rzen, wird dir blo#223; Verletzungen einbringen. Umgehe sie, lerne, die Kraft des Gegners zu nutzen, sei biegsam wie das Schilf und geduldig wie der Granit.«

»Geduld ist nicht meine St#228;rke.«

»Bilde dich aus nach Art des Baumeisters, der einen Werkstoff gestaltet.«

»Ratet Ihr mir davon ab, ins Delta zu reisen?«

»Deine Entscheidung ist doch gefa#223;t.«


Hehr und pr#228;chtig in seinem bunt ges#228;umten Gewand von gef#228;lteltem Leinen und mit seinen kunstvoll gepflegten H#228;nden und N#228;geln er#246;ffnete Neb-Amun die Gro#223;e Versammlung, die im Hauptsaal der Schule der Heilkunst von Memphis stattfand. Ein Dutzend namhafter Praktiker, von denen kein einziger in dem Ruf stand, f#252;r den Tod eines Kranken verantwortlich zu sein, sollten den jungen, gerade zugelassenen #196;rzten ein erstes Amt anvertrauen. F#252;r gew#246;hnlich gaben die Entscheidungen, von Wohlwollen gepr#228;gt, keinerlei Anla#223; zu Anfechtungen. Auch diesmal w#252;rde die Aufgabe rasch erledigt sein. »Schreiten wir nun zum Fall von Neferet«, verk#252;ndete ein Chirurg. »Lobende Bemerkungen von Memphis, Sais und Theben. Eine gl#228;nzende, ja gar au#223;ergew#246;hnliche Begabung.«

»Ja, aber eine Frau«, wandte Neb-Amun ein. »Sie ist nicht die erste!«

»Neferet ist klug, das gestehe ich zu, doch es fehlt ihr an Tatkraft; die Erfahrung k#246;nnte ihre angelernten Kenntnisse in St#252;cke schmettern.«

»Sie hat an zahlreichen #220;bungen und Lehrg#228;ngen ohne Fehl teilgenommen«, erinnerte ein Arzt der allgemeinen Heilkunde.

»Diese #220;bungen stehen unter Aufsicht«, wies Neb-Amun katzenfreundlich hin, »wenn sie dem Kranken alleine gegen#252;bersteht, wird sie dann nicht den Boden unter den F#252;#223;en verlieren? Ihre Widerstandskraft bereitet mir Sorge; ich frage mich, ob sie nicht fehlgegangen ist, als sie unserem Weg folgte.«

»Was schlagt Ihr vor?«

»Eine recht harte Pr#252;fung und schwierige Kranke; falls sie die Lage meistert, werden wir uns dazu begl#252;ckw#252;nschen. Im gegenteiligen Fall werden wir alles weitere erw#228;gen.«

Ohne die Stimme erhoben zu haben, erhielt Neb-Amun die Zustimmung seiner Standesgenossen. Er dachte Neferet die unangenehmste #220;berraschung ihrer beginnenden Laufbahn zu, sie w#252;rde daran zerbrechen, und er w#252;rde sie dann aus dem schwarzen Loch ihres Falles ziehen und sie, die dann voller Dankbarkeit und gef#252;gig w#228;re, in den Scho#223; seines Stabes aufnehmen.


Niedergeschmettert zog Neferet sich zur#252;ck, damit niemand ihre Tr#228;nen sah.

Die gr#246;#223;te Anstrengung vermochte sie nicht abzuschrecken; doch sie h#228;tte niemals erwartet, die Verantwortung f#252;r ein Siechenhaus der Streitkr#228;fte zu #252;bernehmen, in dem die krank oder versehrt aus Asien heimkehrenden Krieger untergebracht waren. An die drei#223;ig M#228;nner waren auf Matten gebettet; die einen r#246;chelten, andere waren dem Wahnsinn verfallen, wieder andere entleerten sich aller S#228;fte. Der f#252;r die Gesundheitsf#252;rsorge der Kaserne Zust#228;ndige hatte der jungen Frau nicht die geringste Verhaltensma#223;regel an die Hand gegeben und sich damit begn#252;gt, sie einfach stehenzulassen. Er gehorchte nur den Befehlen.

Neferet fa#223;te sich wieder. Was auch immer der Grund f#252;r diese b#246;swillige Qu#228;lerei war, sie mu#223;te doch ihre Pflicht tun und diese Ungl#252;cklichen pflegen. Nachdem sie die Arzneimittelkammer der Kaserne gepr#252;ft hatte, gewann sie wieder Vertrauen. Die dringendste Aufgabe bestand erst einmal darin, die heftigen Schmerzen zu lindern; daher zermahlte sie fleischige Mandragorawurzeln – eine Pflanze mit langen Bl#228;ttern, gr#252;nlichen Bl#252;ten und gelbroten Fr#252;chten –, um aus ihnen einen sehr wirksamen Stoff zu gewinnen, der als Schmerz- und Bet#228;ubungsmittel zugleich diente. Dann vermischte sie Dillfenchel, Dattel- und Traubensaft und lie#223; alles in Wein verk#246;cheln; w#228;hrend vier aufeinanderfolgenden Tagen w#252;rde sie diesen Heiltrunk den Kranken verabreichen.

Darauf rief sie einen jungen Krieger herbei, der gerade den Kasernenhof fegte. »Du wirst mir helfen.«

»Ich? Aber ich …«

»Du bist zum Krankenpfleger ernannt.«

»Der Befehlshaber …«

»Suche ihn auf der Stelle auf, und sage ihm, da#223; drei#223;ig M#228;nner sterben werden, falls er mir deinen Beistand verweigert.«

Der Soldat f#252;gte sich widerwillig; das grausame Spiel, dem beizuwohnen er gen#246;tigt sein w#252;rde, gefiel ihm nicht.

Als er das Krankenzimmer betrat, h#228;tte der Offiziersanw#228;rter beinahe die Besinnung verloren; Neferet sprach ihm Mut zu.

»Du wirst ihre K#246;pfe behutsam anheben, damit ich ihnen das Heilmittel einfl#246;#223;en kann; anschlie#223;end werden wir sie waschen und den Raum reinigen.« Zu Anfang schlo#223; er die Augen und hielt den Atem an; durch Neferets Ruhe gest#228;rkt, verga#223; der unge#252;bte Krankenpfleger jedoch allm#228;hlich seinen Ekel und konnte begl#252;ckt mit ansehen, da#223; der Trunk rasch wirkte. R#246;cheln und Schreie klangen ab; mehrere Krieger schliefen sogar ein. Einer von ihnen klammerte sich an das rechte Bein der jungen Frau. »La#223;t mich los.«

»Sicher nicht, meine Sch#246;ne, eine solche Beute gibt man nicht preis. Ich werde dir Lust schenken.« Der Krankenpfleger lie#223; den Kopf des Kranken los, der schwer auf den Boden fiel, und schlug ihn mit einem Fausthieb ohnm#228;chtig; die Finger erschlafften, Neferet befreite sich. »Danke.«

»Ihr … Ihr habt keine Angst bekommen?«

»Doch, nat#252;rlich.«

»Wenn Ihr wollt, werde ich sie alle auf dieselbe Art bet#228;uben!«

»Nur, wenn es n#246;tig ist.«

»Woran leiden diese hier?«

»Ruhr.«

»Ist das ernst?«

»Ein Leiden, das ich kenne und das ich heilen kann.«

»In Asien trinken sie fauliges Wasser; ich, f#252;r meinen Teil, ziehe es vor, die Kaserne zu fegen.« Sobald f#252;r peinliche Reinlichkeit gesorgt war, verordnete Neferet ihren Kranken Tr#228;nke auf der Grundlage von Koriander[39], um die Kr#228;mpfe zu bes#228;nftigen und die Ged#228;rme zu l#228;utern. Dann zerrieb sie Granatwurzeln mit Bierhefe, seihte das Gemisch durch ein Leintuch, um es eine Nacht ruhen zu lassen. Auch die gelbe, mit Kernen von gl#228;nzendem Rot gef#252;llte Frucht spendete ein wirkungsvolles Heilmittel gegen Durchfall und Ruhr.

Neferet behandelte die akutesten F#228;lle mit einem aus Honig, vergorenen Schleimstoffen[40], S#252;#223;bier und Salz zusammengesetzten Einlauf, den sie mit einem kupfernen Horn, dessen feines Ende die Form eines Schnabels hatte, in den After verabreichte. F#252;nf Tage nachhaltiger Pflege erbrachten ausgezeichnete Ergebnisse. Kuhmilch und Honig, die einzigen zul#228;ssigen Nahrungsmittel, brachten die Kranken schlie#223;lich wieder auf die Beine.


Sechs Tage, nachdem Neferet ihr Amt angetreten hatte, besuchte der Oberste Arzt Neb-Amun in bester Laune die Gesundheitseinrichtungen der Kaserne. Er zeigte sich befriedigt und beendete seine Besichtigung mit dem Krankensaal, wo die w#228;hrend des letzten Asienfeldzugs von Ruhr heimgesuchten Krieger abgesondert worden waren. Am Ende ihrer Widerstandskraft und v#246;llig ersch#246;pft, w#252;rde die junge Frau ihn anflehen, ihr eine andere Stellung zu geben, und einwilligen, in seinem Stab zu arbeiten. Ein Jungkrieger fegte die Schwelle des Siechensaals, dessen T#252;r weit offenstand; Durchzug l#228;uterte den leeren und mit Kalk ausgest#228;ubten Raum.

»Ich mu#223; mich verlaufen haben«, sagte Neb-Amun zu dem Soldaten, »wi#223;t Ihr, wo die Heilkundige Neferet arbeitet?«

»Im ersten Schreibzimmer zu Eurer Linken.« Die junge Frau war gerade dabei, Namen auf einen Papyrus zu schreiben. »Neferet! Wo befinden sich die Kranken?«

»Auf dem Weg der Genesung.«

»Unm#246;glich.«

»Hier ist die Aufstellung der Siechen mit der jeweiligen Behandlungsart und dem Zeitpunkt ihrer Entlassung aus dem Krankensaal.«

»Aber wie …«

»Ich danke Euch, mir diese Aufgabe anvertraut zu haben, die mir erlaubt hat, die G#252;ltigkeit unserer Heilverfahren und Verabreichungen nachzupr#252;fen.« Sie #228;u#223;erte sich ohne Feindseligkeit, mit einem sanften Leuchten im Blick. »Ich glaube, da#223; ich mich get#228;uscht habe.«

»Wovon sprecht Ihr?«

»Ich habe mich wie ein Dummkopf betragen.«

»Ihr steht gleichwohl nicht in diesem Ruf, Neb-Amun.«

»H#246;rt mich an, Neferet …«

»Ihr werdet schon morgen einen vollst#228;ndigen Bericht erhalten; wolltet Ihr so freundlich sein, mir so rasch als m#246;glich meine n#228;chste Bestallung anzugeben?«

Monthmose barst vor Zorn. Im gro#223;en Herrenhaus w#252;rde nicht ein Diener sich zu r#252;hren wagen, solange die kalte Wut des Vorstehers der Ordnungskr#228;fte sich nicht bes#228;nftigt h#228;tte. W#228;hrend solcher Zeiten #228;u#223;erster Anspannung juckte ihm der Kopf, und er kratzte sich bis aufs Blut.

Zu seinen F#252;#223;en lagen Papyrusfetzen, die armseligen #220;berbleibsel der zerrissenen Berichte seiner Untergebenen. Nichts.

Kein greifbarer Hinweis, kein offenkundiges Amtsvergehen, nicht die leiseste Unterschlagung: Paser verhielt sich wie ein rechtschaffener, also gef#228;hrlicher Richter. Es war nicht Monthmoses Gewohnheit, seine Gegner zu untersch#228;tzen; dieser hier geh#246;rte zu denen, die man f#252;rchten mu#223;te, und w#252;rde nicht leicht zu bek#228;mpfen sein. Er w#252;rde nichts Entscheidendes in die Wege leiten, bevor nicht eine Frage beantwortet w#228;re: Wer bediente sich Pasers im geheimen?